Die Organisationswissenschaftler Warren Bennis und Burt Nanus prägten vor ein paar Jahrzehnten das Wort „VUCA“ (deutsch: VUKA). Damit wollten sie beschreiben, was heute viele in der Arbeitswelt erleben, besonders in sogenannten Wissensberufen: Sie ist volatil, also schwankend und unbeständig, unsicher, komplex und ambivalent. Der Grund: Produkt- und Innovationszyklen werden kürzer, Märkte ändern sich ständig, die Zahl der Projekte nimmt zu, die digitale Welt wird ebenfalls komplexer und unsicherer. Für viele Arbeitnehmende heißt das: Was morgens auf der To-Do-Liste steht, ist oft nicht das, was sie dann wirklich tun. Die Unvorhersehbarkeit ist wohl auch ein eigener Stressfaktor, dies zeigt jetzt eine Tagebuch-Studie von zwei Psychologinnen und zwei Psychologen.
Die von ihnen befragten Erwerbstätigen berichteten nach einem Arbeitstag mit vielen unvorhersehbaren Aufgaben, auf die sie sich nicht einstellen konnten, sich bis weit in den Abend hinein stärker belastet zu fühlen und schlecht gelaunt zu sein. Rund 100 Erwerbstätige, überwiegend aus wissensintensiven Dienstleistungs- und Büroberufen, füllten zwei Wochen lang drei Mal täglich einen Fragebogen aus, wie oft Aufgaben von ihnen verlangt worden waren, die für sie unerwartet kamen und auf die sie sich schnell einstellen mussten. Die Befragten berichteten auch, ob sie unter Zeitdruck standen und ob sie sich am Abend so gelassen fühlten wie an einem normalen Arbeitstag.
Die Forschenden fanden einen Zusammenhang zwischen der Unvorhersehbarkeit von Aufgaben und der Stimmung und dem Wohlbefinden am Abend, unabhängig vom Zeitdruck. Schlechtere Stimmung und fehlende Gelassenheit entstanden laut der Autorinnen und Autoren durch das Unwissen über die genauen Anforderungen, die mangelnde Vorbereitung und die unklare zeitliche Perspektive. Außerdem fühlten sich die Teilnehmenden enttäuscht, weil sie nicht das machen konnten, was sie eigentlich vorhatten. Die Unvorhersehbarkeit von Aufgaben habe dazu geführt, dass sie einen Mangel an Kontrolle erlebten und sich inkompetent fühlten, weil sie die Prozesse und Methoden nicht kannten und nicht wussten, mit welchen Problemen wir rechnen mussten.
Das Forschungsteam empfiehlt Unternehmen, kurzfristige Änderungen so früh wie möglich zu kommunizieren und so Transparenz zu schaffen. Außerdem gehöre dazu, dass Angestellte Fehler machen könnten, ohne dafür bestraft zu werden – dann wären sie besser in der Lage, die Veränderungen und Unsicherheiten als herausfordernd zu erleben und anstatt als bedrohlich.
I`d rather know what to expect…Work unpredictability as contemporary work stressor with detrimental implications for employees` daily wellbeing. Word & Stress, 2022. DOI: 10.1080/02678373.2021.1976881