An einem Mittwochabend haben mein Partner und ich uns getrennt, am Donnerstagmorgen hatte ich ein Kennenlerngespräch bei einer Frau, die mich engagieren wollte, um ihre Hochzeit zu planen. Ich saß also in ihrem Wohnzimmer, hörte mir ihre Liebesgeschichte an und sah, wie glücklich und verliebt sie war, während meine Welt in Trümmern lag. Ich habe gelächelt, war freundlich. Dann bin ich in mein Auto gestiegen und habe angefangen zu weinen.
Mir als Hochzeitsplanerin begegnen täglich große Gefühle. Die Hochzeit ist einer der wertvollsten Tage im Leben eines Paares. Er soll einmalig und besonders sein, selbst wenn es die zweite oder dritte Hochzeit ist. Ich muss Wünsche erfüllen und große Erwartungen so umsetzen können, dass sich die Paare auch in vierzig Jahren noch gern die Fotos ansehen.
Rund um die Uhr gute Stimmung
„Du bist jetzt mein Wedding-Besti“, hat eine Braut einmal zu mir gesagt, also ihre beste Freundin für die Hochzeit. Für das Paar und seine Familie bin ich wie Schwester, Cousine, Tante auf Zeit. Zwar bin ich Dienstleisterin, aber eine, der man sehr viel Persönliches und Emotionales anvertraut. Die Paare erzählen mir ihre Kennenlerngeschichte, ihre Gefühle füreinander, ihre Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft. Dadurch entsteht große Nähe.
Aber es ist doch eine einseitige Beziehung, denn ich gebe viel weniger von mir preis. Wie es mir wirklich geht, zeige ich nicht. Denn es ist doch so: Die Kundinnen und Kunden sind vielleicht an mir interessiert, aber nicht an meinen Sorgen. Niemand will mich heulen sehen. Das wäre unpassend und unprofessionell – und mir auch sehr unangenehm.
Meine Kunden erwarten, dass Hochzeitsplanerinnen wie ich rund um die Uhr glücklich und fröhlich sind und gute Stimmung verbreiten. Schließlich geht es um den schönsten Tag des Lebens. Sie wollen eine gutgelaunte und strahlende Planerin, und dieses Bild transportiere ich nach außen. Die Leute wollen Glamour, sie wollen fame, denn das assoziieren sie mit Erfolg. Also poste ich auf Instagram zum Beispiel Bilder von dem luxuriösen Apartmenthaus, das ich im Urlaub besucht habe, statt von dem Vorstadthaus, in dem ich gewohnt habe. Ich muss immer zeigen: „Ich mache geilen Scheiß.“
Was ich nicht zeige: Ich mache mir große Sorgen, weil es gerade nicht gut läuft. Sechs Wochen lang habe ich keine einzige Anfrage bekommen. Die ganze Hochzeitsbranche leidet. Ich habe Unternehmen aufgeben sehen, von denen ich es nie erwartet hätte, und kenne Planerkolleginnen, die einen zweiten Job annehmen mussten. Ich als Unternehmerin frage mich: Wenn die es nicht schaffen, kann ich es? Lohnt es sich noch? Von Luft und Liebe kann ich nicht leben.
Um mich selbst zu schützen, ziehe ich klare Grenzen
Diese Sorgen verberge ich vor meinen Kundinnen. Wenn ich das einmal nicht könnte, würde ich absagen. Besser einen Termin verschieben, als schlechte Stimmung zu verbreiten. Bei der Arbeit konzentriere ich mich nur auf das Berufliche – und es hilft, dass mich Hochzeiten immer noch begeistern. Aber meine Situation, meine Gefühle, finanzielle Sorgen oder den eigenen Wunsch nach einer Partnerschaft muss ich ausblenden. Das ist eine große emotionale Herausforderung.
Um mich selbst zu schützen, ziehe ich klare Grenzen. Ich halte mir immer vor Augen, dass die Paare nicht meine Freunde sind. Sie bezahlen mich, damit ich Zeit mit ihnen verbringe. Ich besuche sie zum Beispiel zu Hause, damit ich ihren Stil kennenlerne, aber ich würde sie nie zu mir ins Homeoffice einladen. Wenn sie fragen: „Bist du verheiratet? Hast du Kinder?“, verneine ich freundlich und gehe nicht weiter darauf ein.
Hochzeitsplanerin ist ein echt harter Job, ein High-Energy-Business. Ich muss den ganzen Tag viel reden, präsent sein, Verantwortung tragen und strahlen. In der Hochsaison bin ich 24/7 mit dem Thema Hochzeiten beschäftigt. Wenn ich frei habe, will ich nicht mehr dauernd gut gelaunt sein und nicht mehr über Hochzeiten sprechen. Meine Freunde wissen das und respektieren es meist. Falls doch jemand fragt: „Und, wie läuft es mit den Hochzeiten?“, sage ich schon mal: „Ich mag jetzt nicht über meine Arbeit sprechen. Vielleicht habe ich in einer Stunde Lust dazu.“
Der Stressausgleich
Mein Freundeskreis ist für mich ein Ausgleich, einige arbeiten auch in der Branche. Wir gehen zu Ü30-Partys und ich tanze da den ganzen Stress raus. Zu Hause stelle ich mich jeden Tag auf mein Walkingpad und lasse mich von einer Serie oder einem Podcast berieseln. True Crime, Motivationsbücher, Erfolgsgeschichten, Biografien – so etwas lese ich gern. Liebesgeschichten muss ich privat nicht auch noch haben. Wenn ich für Hochzeiten reise und in einem Hotel schlafe, buche ich eines mit Spa und setze mich am Tag vorher für eine Stunde ins Dampfbad. Die Übernachtung kostet meine Kundschaft vielleicht etwas mehr, aber dafür funktioniere ich dann am nächsten Tag besser.
Manchmal spüre ich auch bei der Arbeit, dass meine emotionale Energie aufgebraucht ist. Wenn ich zum Beispiel eine freie Trauung halte, trage ich die Rede sehr emotional vor. Anschließend brauche ich die paar Minuten allein, wenn das Brautpaar schon ausgezogen ist und ich in Ruhe meine Anlage abbauen kann. Oft heißt es: „Bleib doch noch!“ Aber das lehne ich immer ab. Ich will nur noch heim, Schminke runter, kurze Hose an, aufs Sofa, Junkfood essen und Film gucken.
Trotzdem liebe ich meinen Beruf und das, was ich tue. Und vielleicht ist es sogar gut, dass ich noch nicht geheiratet habe. Heute würde ich anders feiern als in den 20ern. Kleiner, weniger Show. Je mehr Hochzeiten ich begleitet habe, desto mehr denke ich und sage es den Paaren auch: Es geht nur um die Liebe. In der Hinsicht bin und bleibe ich eine hoffnungslose Romantikerin. Ich glaube an die Liebe! Auch wenn ich sie mit über 40 selbst noch nicht gefunden habe. An meinen Paaren sehe ich, dass es sie wirklich gibt, diese verrückte, wahnsinnige, wahre Liebe.
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