Herr Binneböse, sind Pflegekräfte auf der Intensivstation größeren Belastungen ausgesetzt als Pflegekräfte auf anderen Stationen?
Größeren vielleicht nicht, aber anderen. Die Belastungsspitzen sind höher. Es kann dort sehr ruhig zugehen und plötzlich tritt ein Notfall auf und alle müssen sofort handeln. Das erleben andere Pflegekräfte nicht in dem Ausmaß, weil Personen in kritischem Zustand häufig direkt auf die Intensivstation verlegt werden. Manche Intensivkräfte sagen, es sei so, als würde man eine Adrenalinspritze bekommen. Einigen gefällt genau das an dieser Arbeit. Kritisch wird es, wenn sie das Gefühl haben, gar nicht mehr durchatmen zu können.
Was hilft Pflegekräften?
Zuerst einmal: mehr Personal. Man kann die Belastung nicht allein dadurch auffangen, indem man ihnen eine Psychologin an die Seite stellt. Allerdings können Psychologen und Psychologinnen ihnen helfen, mit schwierigen Emotionen umzugehen, oder ihnen Gespräche mit Angehörigen abnehmen. Wenn sie Teil des Teams sind und wissen, was die Pflegekräfte tun, ist es für diese leichter, die psychologische Entlastung anzunehmen.
Kann psychologische Unterstützung auch den Zeitdruck entschärfen?
Die Belastungsspitzen nicht, Notfälle gehören zur Arbeit auf der Intensivstation. Was aber hilft, ist, wenn eine Psychologin vor Ort ist und niedrigschwellig ansprechbar. Wir nennen das „Supervision an der Kaffeetasse“. In der Pause fragt sie: Was war los? Wie geht es dir damit? Brauchst du noch etwas? Pflegeteams machen das schon und entlasten sich so gegenseitig. Ich denke aber, dass eine Psychologin den Effekt immer unterstützen und verstärken kann.
Marius Binneböse ist Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Er arbeitet an der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Magdeburg und forscht zur psychosozialen Versorgung in der Intensivmedizin.
Wollen Sie mehr zum Thema erfahren? Dann lesen Sie außerdem den Erfahrungsbericht einer Pflegefachkraft einer Intensivstation in „Die Liste in meinem Kopf“.
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