Schule, Ausbildung, Job, Karriere – und dann? Wer sich stark über Leistung definiert hat, bekommt mit Rentenbeginn oft ein Problem. Wie schauen wir auf Rente, Alter, den Tod? Drei Bücher umkreisen diese Themen. Ein Report befasst sich mit Männergesundheit. In einem Dialogbuch zwischen einer Frau in der Lebensmitte und einem zehn Jahre älteren Mann wird der Frage nachgespürt, wie sich das Alter anfühlen wird. Und eine alte, kluge Feministin reflektiert ihr Leben und versucht einen Ausblick auf den letzten Lebensabschnitt.
Der vierte Männergesundheitsbericht fokussiert auf die Lebensphase zwischen dem 55. und 75. Lebensjahr. Es ist ein interdisziplinär angelegter Report, in dem Medizinerinnen, Psychologen, Soziologinnen und Ökonomen die neuesten Daten über Männergesundheit analysieren und bewerten. Daraus abgeleitet werden Vorschläge für Gesundheitsförderung und Prävention, insbesondere im beruflichen Kontext. Am Schluss werden Modelle guter Praxis vorgestellt.
Eine besondere Herausforderung in dieser Lebensphase seien psychische Krankheiten, schreibt Anna Maria Möller-Leimkühler. Beunruhigend sei der hohe Anteil unbehandelter Depressionen. Die Professorin für Sozialwissenschaftliche Psychiatrie stellt eine systematische Unterdiagnostizierung von Depression bei Männern fest. Wie neuere Studien zeigten, können sich typische Depressionssymptome hinter depressionsuntypischen Verhaltensmustern verbergen. Demnach könnte Aggressivität, Irritabilität, Hyperaktivität, antisoziales Verhalten oder Sucht- und Risikoverhalten ein Hinweis auf eine Depression sein.
Gesundheit sozial Benachteiligter verbessern
Nichts verändert hat sich auch an der Tatsache, dass Armut oder sozialer Abstieg zu Depressionen, aber auch koronaren Herzkrankheiten und früher Sterblichkeit führen können. „Es besteht massiver Forschungsbedarf darüber, wie die Gesundheit der sozial Benachteiligten verbessert werden kann“, betont das Autorenkollektiv um die Gesundheitsforscherin Kathleen Pöge. Ein wichtiges Handbuch, insbesondere für Beschäftigte im Gesundheits- und Präventionsbereich.
Unter welchen Bedingungen man das Alter eher als Zuwachs- oder als Verlustmodell sehen kann, fragen Andrea Schaffroth und Peter Schneider in einem „Dialogbuch“. Die Vortragsweise erinnert an ein Duett, einem zweistimmigen Vortrag zu einem Thema, das kommentiert und variiert wird. Es gibt kaum Dissonanzen. Schaffroth und Schneider plaudern etwa über Menopause, Pensionierung, Alterssexualität und -diskriminierung, Gesundheit oder die Wohnverhältnisse. Sie, 53 Jahre, Journalistin, er, 63 Jahre, Psychoanalytiker, spüren dass ihr Leben fragiler wird und sich ihr Lebensgefühl verändert.
„Die Zeit rast, wir rasen mit und werden gleichzeitig langsamer. Eigentlich mag ich dieses Gefühl. Es relativiert die Dinge“, bemerkt etwa der Psychoanalytiker, der sich nur in Nebensätzen auf seinen Beruf bezieht. Ein leichtes Buch für Menschen, die glauben, noch ein langes Leben vor sich zu haben.
Alten Frauen wird weder Schönheit noch Weisheit zugestanden
Diese Zeit hat Erica Fischer nicht mehr. Die 77-jährige prominente Feministin, Autorin, Journalistin (kinderlos und in einer späten Ehe seit mehr als zehn Jahren glücklich verheiratet) räsoniert nicht und erteilt keine Ratschläge. Ihr geht es um Selbstbefragung und Einordnung. Sie hat viel zum Thema gelesen, befragt andere ältere Menschen, die ihr erzählen, wie sie ihr Alter gestalten oder erdulden, weil sie arm oder krank sind.
Neugierig und selbstkritisch schaut Fischer auch auf den letzten Lebensabschnitt. Als Feministin müsse sie sagen, dass alten Frauen weder Schönheit noch Weisheit zugestanden werde, alten Männern aber schon. Wie schön wäre es, altern zu können, dem Körper freie Bahn zu lassen. Sie wünscht sich, mit Gusto zu essen, wann immer es ihr gefalle. „Aber die beschämende Wahrheit ist, dass eine feministische Überzeugung nicht vor der Melancholie schützt, welche die meisten von uns Frauen überfällt, wenn wir uns jenseits der fünfzig im Spiegel betrachten.“
Berauschende Gedanken
Sie sei eine im westlichen Patriarchat geborene Frau. Alles was aus ihr geworden sei, was sie denke, fühle, wie sie sich bewege und aussehe, sei vom patriarchalen Blick geprägt. Dank des Feminismus hätte es geringfügige Verbesserungen für Frauen gegeben, und sie vollzögen sich weiter. Doch die Befreiung vom Joch der Schönheit als oberstes Gebot für den Status einer Frau werde sie nicht mehr erleben.
Als sie noch jung und in der Frauenbewegung engagiert war, berauschte sie der Gedanke, mit ihrem Handeln den Lauf der Ereignisse zu beeinflussen. Diese Gedanken und Gefühle kämen heute den Jungen zu, die für ihre Zukunft kämpften. Ihre eigene Welt enge sich immer mehr ein. Loslassen könne diejenige, die weitestgehend mit sich im Reinen ist.
Erica Fischer erzählt frisch und ungeschminkt über ihr Alter. Sie zeigt, wie sich die Verhältnisse für die Frauen seit den 1970er Jahren verändert haben und was noch zu tun ist. Ein Buch, das alte wie junge Feministinnen anspricht.
Literatur
Erica Fischer: Alt. Na und? Berlin Verlag, Berlin 2020, 304 S., € 22,–.
Hendrik Jürges, Johannes Siegrist, Matthias Stiehler (Hg.): Männer und der Übergang zur Rente. Vierter Deutscher Männergesundheitsberichtder Stiftung Männergesundheit. Psychosozial, Gießen 2020, 293 S., € 34,90.
Andrea Schafroth, Peter Schneider:Jungbleiben ist auch keine Lösung.Ein Buch über das Älterwerden. Zytglogge Bern, 2020, 209 S., € 29,–,