Tranquilizer aus dem Darm

Welche zentrale Rolle der Darm für die Gesundheit spielt, zeigt Gregor Hasler anhand aktueller Forschung in seinem Buch ​„Die Darm-Hirn-Connection​“.

Forschung über die Zusammenhänge zwischen Darm, Körperfunktionen und Gehirn ist „in“, überraschende Ergebnisse wie der Einfluss der Darmflora auf Krankheiten wie Parkinson oder multiple Sklerose sorgen für Schlagzeilen in den Medien. Gregor Hasler, Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Schweizer Université de Fribourg, beschäftigt sich seit seinem Medizinstudium mit den wechselseitigen Einflüssen zwischen Ernährung, Darmbeschwerden und psychischen Beeinträchtigungen.

In seinem Buch gibt er einen spannenden Überblick über wichtige aktuelle Forschungsergebnisse zum Thema Darm.

Zu Beginn berichtet Hasler anschaulich über eigene Erfahrungen, die ihn dazu bewegten, Die Darm-Hirn-Connection zu einem Schwerpunkt seiner Forschung zu machen: über Verdauungsbeschwerden in seiner Jugend, die sowohl vom behandelnden Arzt als auch vom Psychotherapeuten nicht richtig verstanden wurden, über seine erste eindrückliche Begegnung mit dem weitverzweigten Darmnervensystem in einem Anatomiekurs und über eigene Erfahrungen mit dem „Suchtmittel“ Zucker sowie Erfolge und Misserfolge bei Diäten. Auch viele Beispiele von Patienten tragen dazu bei, dass sich das Buch anschaulich und unterhaltsam liest.

Depression durch Zöliakie

So berichtet er etwa von einem jungen Mann, der plötzlich unter Aggressionen sowie einer depressiven Verstimmung und Antriebslosigkeit litt. Nach verschiedenen Untersuchungen wurde schließlich eine Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) festgestellt. Nach einer streng glutenfreien Diät besserten sich auch die psychischen Symptome deutlich.

Anhand der Erkrankung Bulimie schildert Hasler, dass es eine Sucht nach Kalorien gibt, die auch über das Geschehen im Darm gesteuert wird. Am Fallbeispiel einer jungen Frau beschreibt er, wie sie gelernt hat, auf negative Emotionen statt mit Ess-Brech-Attacken auf gesunde Art zu reagieren, indem sie bei Problemen mit einer Freundin spricht oder Yogaübungen macht.

Einige Erkenntnisse, wie die Funktionen von Sympathikus und Parasympathikus oder der Inselrinde, dürften für fachlich Vorgebildete nicht neu sein, im Wesentlichen werden jedoch aktuelle Ergebnisse der letzten Jahre dargestellt.

Belege zum Teil unklar

Allerdings wird teilweise nicht ganz klar, wie gut die einzelnen Ergebnisse tatsächlich belegt sind. So wurden einige Zusammenhänge bisher nur in Tierexperimenten untersucht, andere Ergebnisse stammen aus relativ kleinen Studien. Hasler bringt auch eigene, zum Teil sehr subjektive Erfahrungen mit ein, die keine wissenschaftliche Basis haben – etwa dass ihm der Verzehr gekochten Knochenmarks besonders geholfen habe. Auch der etwas blumige Stil und die Verwendung emotional gefärbter Begriffe lassen manchmal Zweifel an der Seriosität der Darstellungen aufkommen.

Aber insgesamt ist Die Darm-Hirn-Connection ein spannend geschriebenes Buch, das interessante Einblicke in zahlreiche Facetten des Darmgeschehens und dessen Zusammenhänge mit Körper, Gehirn und Psyche gibt.

Gregor Hasler: Die Darm-Hirn-Connection. Revolutionäres Wissen für unsere psychische und körperliche Gesundheit. Schattauer, Stuttgart 2019, 301 S., € 20,–

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Räume der Seele: Psychologie Heute 12/2019
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