Wer mit einem Narzissten – oder genauer mit einem mehr oder weniger stark von narzisstischen Persönlichkeitszügen geprägten Menschen – zusammenlebt, wird dieses Buch sicher mit Spannung lesen. Folgt man den Autoren, dann sind es überwiegend Männer, die ihren Lebenspartnern, ihren Kollegen oder den ihnen unterstellten Mitarbeitern das Leben schwermachen (siehe auch Seite 6 in dieser Ausgabe).
Frauen scheinen insgesamt nicht so narzisstisch zu sein, sie sind es, die in der Regel unter ihrem Partner leiden. Und genau dies, das „beträchtliche Leiden“, das ein Mensch seiner Umgebung bereitet, kann ihm als Gradmesser dafür dienen, wie stark seine narzisstischen Züge ausgeprägt sind – sofern es ihn denn interessiert.
Den Autoren, beide Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, ist wichtig, klarzustellen, dass Narzissmus keinesfalls eo ipso als problematisch oder gar pathologisch eingeordnet werden sollte. Denn bis zu einem gewissen Grad ist Narzissmus, definiert als gesundes Selbstwertgefühl, Voraussetzung für eine normale psychische Entwicklung und die Grundlage für Lebensfreude und Kreativität.
Die Übergänge zwischen einem (noch) gesunden Narzissmus, der mit einem starken Selbstbewusstsein, Freude am eigenen Erfolg und dem Wunsch, etwas Besonderes zu sein, einhergeht, und einem problematischen, gar pathologischen Narzissmus sind fließend. Denen, die sich in irgendeiner Weise von dieser Problematik angesprochen fühlen, wollen die Autoren eine Orientierung geben, wo sie sich auf der Skala zwischen gesundem und „problematischem“ oder gar pathologischem Narzissmus befinden. Denn daran, dass das Zusammenleben mit stark narzisstischen Menschen „bestenfalls enttäuschend und schlimmstenfalls einfach nur furchtbar“ ist, lassen die Autoren keinen Zweifel.
Zu den problematischen narzisstischen Zügen gehören in erster Linie Selbstbezogenheit und ein Mangel an Empathie, die Neigung, andere Menschen abzuwerten, gesteigerte Rivalität und der Zwang, stets die Kontrolle über sich und andere zu haben, und – daraus resultierend – die Unfähigkeit, Nähe zuzulassen. Das führt nicht selten zu innerer Leere und Einsamkeit. Wie mühselig es sein kann, an der Seite eines Narzissten zu leben, der stets besser sein muss als andere und unter dem Zwang steht, die Meinungen anderer unablässig zu kontern oder sie zu übertrumpfen, und mit dem deshalb kaum ein Dialog zu führen ist – all das schildern die Autoren beklemmend alltagsnah.
Der Grundton ist optimistisch – der Narzisst und seine Umgebung dürfen hoffen. Wer das Buch durchgearbeitet und die Testbögen ehrlich beantwortet hat, findet Anleitung zu einer schrittweisen Veränderung. So kann der Betroffene durch „Arbeit an seinem verletzlichen Ich“ lernen, dass Aufmerksamkeit, Anerkennung und Bewunderung nicht von außen kommen müssen, dass der Schlüssel zu mehr Lebensfreude vielmehr eine akzeptierende, fürsorgliche Haltung sich selbst gegenüber ist.
Claas-Hinrich Lammers, Gunnar Eismann: Bin ich ein Narzisst? Oder einfach nur sehr selbstbewusst? Schattauer, Stuttgart 2019, 163 S., € 20,–