Gekonnte Niederlage!?

Rezension des Buches „Gekonnte Niederlage“ von Charles Pépines

Wer nie gescheitert ist, ist blind. Er ist blind und gefühlstaub geworden für die Wirklichkeit. Erst wem die Schönheit des Scheiterns widerfährt, weiß, was die Wirklichkeit ist. Und was er oder sie selbst ist. Nur wer scheitert, wird kreativ, findet sich selbst. So erfährt und erlebt man seine Grenzen. Das Scheitern intensiviert das eigene Leben. Scheitern ist also positiv. So bündig lässt sich Die Schönheit des Scheiterns des 1973 geborenen Franzosen Charles Pépin zusammenfassen.

Im Hauptberuf Gymnasiallehrer für Philosophie, ist er ein telegener Salon­philosoph. In seinem geschichtsphilosophisch von den Stoikern bis zu Sartre untermauerten Plädoyer für ein schönes Scheitern sitzt er einem inhaltlichen wie semantischen Fehler auf. Denn über weite Passagen meint er nicht das Scheitern, sondern den Irrtum. Beziehungsweise, wenn er über Wissenschaftler und Erfinder schreibt, das Prinzip von trial and error als Ausschlussverfahren: versuchen, immer wieder versuchen und immer besser „scheitern“.

Passagenweise ist dieser Essay anregend, manchmal von pseudo-abgeklärter Weltabgewandtheit, nicht selten von einer großen, von Plattitüden geprägten Schlichtheit. Vor allem bei seinen breitgefächerten Beispielen, vom Film bis zum Silicon Valley, krankt sein Buch an fehlerhafter Verkürzung – und an Denkfehlern.

Das Zerstörerische des Scheiterns bleibt aus

Was Pépin, der Philosoph im französischen Staatsdienst, völlig auslässt, ist das Destruktive des Scheiterns. Er hebt sich zwar von der amerikanischen Self-Help-Attitüde der „FailCons“ ab, jener Konferenzen, auf denen Unternehmer von ihrem Scheitern erzählen, um sofort einen sich daraus so logisch wie automatisch ergebenden überwältigenden Erfolgsweg zu beschwören. Doch wo ist bei Pépin die Frustration der Negation, das alles zerstörende, alles auslöschende Scheitern, die komplette Niederlage? Das, was nicht mit Philosophen der Stoa und des Existenzialismus hinzubiegen ist?

Gibt es nicht Heerscharen von Kellnern, die Schauspieler werden wollten, doch nie ein halbwegs zufriedenstellendes Engagement bekamen? Gibt es nicht viel mehr erfolglose als erfolgreiche Chansonniers und Künstler, die jahrelang unverdrossen auf den Durchbruch hinarbeiten, der sich nie einstellt? Ökonomisches Scheitern wird kaum gestreift, vielmehr eine Kultur der zweiten Chance beschworen. Scheitern im Sport? Auch auf diesem Feld ist Pépin wieder ganz Optimist. Verliert man beim ersten Mal, so zieht man daraus die Lehre – und ist beim zweiten Mal der strahlende Sieger. Tatsächlich? Und was ist mit emotionalem Scheitern, mit Niederlagen, die irreversibel sind? Und was ist mit Ausweichverhalten aus Angst vor Misserfolg, weil die durch Niederlagen zugefügten seelischen Verletzungen zu schmerzhaft sind?

So beschreibt Pépin letztlich in oberflächlich aufpolierter Manier doch nur Erfolgsgeschichten. Der ambivalenten Schönheit des Scheiterns fügt er keinen Kratzer bei, aus dem Erkenntnis aufblitzen würde.

Charles Pépin: Die Schönheit des Scheiterns. Kleine Philosophie der Niederlage. Aus dem Französischen von Caroline Gutberlet. Hanser, München 2017, 203 S., € 20,–


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