Veränderung im Krebsgang

Mit seiner Arbeit half Traumatherapeut Peter A. Levine vielen Menschen. Über sein eigenes Leben erzählt er in seiner Autobiografie unverstellt offen.

Ein Bücherstapel mit den Büchern, die in Ausgabe 3/2025 vorgestellt werden
Das ist der Bücherstapel der Rezensionen aus der Märzausgabe 2025. © Psychologie Heute

Ursprünglich sollten, schreibt Peter Levine in seiner Lebensbetrachtung, seine autobiografischen Aufzeichnungen therapeutischen Charakter haben. Sie sollten ihm helfen, „verborgene oder verleugnete Aspekte“ der Vergangenheit „oder meiner Persönlichkeit“ analytisch zu erhellen, und dazu dienen, „Bruchstücke zusammenzufügen, um sie uneingeschränkt akzeptieren und integrieren zu können“.

Ein Traum brachte ihn dann dazu, über ein Buch nachzudenken. Bei der Entscheidung für die Publikation des Bandes könnte auch die Rückschau des Alters eine Rolle gespielt haben – der namhafte Therapeut ist 82 Jahre. Die amerikanische Originalausgabe betitelte er An Autobiography of Trauma, gekoppelt mit dem Untertitel A Healing Journey. Der deutsche Verlag entschied sich für Lernen, den Tiger zu reiten, eine etwas verwirrende Variante, erinnert der Titel doch an Levines Traumabuch Waking the Tiger von 1997, das wiederum damals bei uns als Trauma-Heilung auf den Markt kam.

Im Durchtappen von Sackgassen

„Fehlen Bilder“ – schrieb der deutsche Psychiater Mathias Hirsch –, „fehlt die symbolisierende Sprache [bei traumatisierten Patientinnen und Patienten], dann muss eben der Therapeut aktiv diese Lücke füllen.“ Eine solche Aktivierung steht seit 50 Jahren im Zentrum der therapeutischen Arbeit Peter Levines. Der im Jahr 1942 in der Bronx, New York geborene und aufgewachsene medizinische Biophysiker und Psychologe, der auch die NASA beriet und im US-Bundesstaat Colorado die Foundation for Human Enrichment gründete, entwickelte die Methode des somatic experiencing, einer körperbasierten Aufarbeitung von traumatischen Erfahrungen und Erlebnissen.

„Ein Trauma“, meint Levine in seinem von nicht wenigen als sein Opus magnum eingestuften Band Sprache ohne Worte von 2011, „ist im Nervensystem gebunden. Es ist somit eine biologisch unvollständige Antwort des Körpers auf eine als lebensbedrohlich erfahrene Situation. Das Nervensystem hat dadurch seine volle Flexibilität verloren. Wir müssen ihm deshalb helfen, wieder zu seiner ganzen Spannbreite und Kraft zurückzufinden.“ Und: „Ein Trauma ist nicht das, was uns widerfährt, sondern woran wir, wenn es keine mitfühlenden Zeugen gibt, innerlich festhalten.“

Die Traumata des Traumatherapeuthen

Levine schreibt offen über eigene Traumata, etwa seine Vergewaltigung im Alter von 12 Jahren, die er vor sich selbst 40 Jahre in seelischer Dunkelheit zu halten versuchte, von Aggression in der Familie, Verrat, Intuition, Lehrern, Freundinnen.

Eines seiner Signalwörter ist „Transformation“, Veränderung. Eine Veränderung, die sich nicht linear und zielgerichtet vollzieht, sondern in Kreisen, im Krebsgang, auch im Durchtappen von Sackgassen und Abschreiten von Holzwegen. Daher durchbricht der Autor immer wieder die Chronologie, schildert länger zurückliegende Träume und auch Reisen oder Pilgerreisen, die er unternahm. Ein Buch, das zeigt, wie sehr Levine den Menschen stets zugeneigt war und es bis ins hohe Alter geblieben ist.

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Peter A. Levine: Lernen, den Tiger zu reiten. Die Autobiographie des wegweisenden Trauma-Experten. Aus dem Amerikanischen von Ursula Bischoff. Kösel 2024, 256 S., € 24,–

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 3/2025: Ich entscheide, was ich fühle
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