Wenn die „Akkus“ leer sind, können wir uns nicht mehr so gut zusammenreißen – das stimmt nicht ganz, zeigen zwei Psychologinnen und ein Psychologe jetzt in einer Tagebuchstudie mit 155 Angestellten aus sehr unterschiedlichen Branchen. Wie sehr die Befragten sich selbst disziplinierten, hing vielmehr von ihrer Motivation ab, sich dabei anzustrengen. Das heißt umgekehrt: Waren Versuchspersonen nicht motiviert, dranzubleiben und durchzuhalten, strengten sie sich dabei auch weniger an – und ihre Selbstdisziplin sank in der Folge.
Wenn Selbstkontrolle fehlt
Mangelnde Selbstkontrolle geht in der Arbeitswelt mit kontraproduktiven Verhaltensweisen einher: Dazu gehören überdehnte Pausen, die Unfähigkeit, richtige Prioritäten zu setzen, das Bearbeiten irrelevanter Aufgaben, zu langsames Arbeiten, die Bereitschaft, sich ablenken zu lassen. Die Forscherinnen befragten die Angestellten zwei Wochen lang zwei Mal pro Arbeitstag, jeweils vor und nach der Arbeit. Dabei erhoben sie die Motivation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich zu kontrollieren, mit Items wie: „Heute habe ich mich sehr bemüht, Ablenkungen zu widerstehen“. Die Forscher fragten auch danach, wie die Freiwilligen entsprechende Anforderungen in ihrer Firma erlebten, etwa in einem Item wie „meine Arbeit verlangt von mir, dass ich nie die Geduld verliere“. Darüber hinaus erfassten die Psychologinnen das Ausmaß von negativen Affekten, etwa, ob sie sich an einem Tag „nervös“, „gestresst“, „aufgebracht“ oder „konfus“ gefühlt hatten. Die Versuchspersonen machten zudem Angaben zu ihrer Erschöpfung, ob sie also das Gefühl hatten, keine Energie mehr für Selbstkontrolle zu haben, ob sie an einem Tag zügig oder langsam gearbeitet hatten.
Die Psychologinnen hatten sowohl Erschöpfung als auch die Motivation zur Selbstkontrolle als mögliche Auslöser für die Bemühungen gesehen, sich über den Arbeitstag hinweg zu disziplinieren. Dies erlaubte ihnen zu zeigen, dass die Motivation dabei offenbar entscheidend war. Dies heiße nicht, dass die Ressourcen dabei keine Rolle spielten, schreiben die Autoren. Diese haben Forschungen zufolge sehr wohl Einfluss darauf, wieviel Selbstkontrolle eine Person maximal ausüben kann. Was die Studien aber nicht bestätigte, sei die These des Sozialpsychologen Roy Baumeister: Dass die Erschöpfung umso größer werde, je mehr man sich anstrenge, sich zu disziplinieren.
Der Preis der Selbstkontrolle
Die Psychologinnen vermuten einen anderen Mechanismus: Möglicherweise werde größere Erschöpfung in dem Moment wahrgenommen, in dem die Kosten der Selbstkontrolle zu hoch werden – es kann das Gefühl aufkommen, es bereitet zu viel Mühe und habe einen zu hohen Preis, sich weiter zusammenzunehmen. Auch könnten sehr hohe Anforderungen an die eigene Selbstdisziplin dazu führen, dass plötzlich die Sehnsucht nach einer Pause oder eine Ablenkung wächst – und somit die Selbstkontrolle einem noch mehr abverlangt. Damit Menschen überhaupt motiviert sind, sich zu disziplinieren und durchzuhalten, müssten vermutlich einige Voraussetzungen stimmen, etwa eine passende Work-Life-Balance, ein erfüllendes Privatleben und genügend Erholung.
Wilken Wehrt u. a.: Beyond depletion: Daily self-control motivation as an explanation of self-control failure at work. Journal of Organizational Behavior, 2020. Doi: 10.1002/job.2484