Die historische Zahl: 1970

1970 testet Walter Mischel, ob Kinder einer Versuchung widerstehen können, und stellt die Frage: Kann ihre Selbstkontrolle spätere Erfolge voraussagen?

Ein Mädchen sitzt an einem Tisch und schaut auf einen Keks, der vor ihr liegt
Allein mit dem Keks. Schafft sie es ihn nicht zu essen, bekommt sie einen zweiten. © Tim Möller-Kaya für Psychologie Heute

Da lag nun das Objekt der Begierde direkt vor ihnen: ein Marshmallow oder ein Keks, eine Brezel. Die Mädchen und Jungen aus dem hauseigenen Kindergarten der Stanford-Universität, drei bis vier Jahre alt, saßen einzeln in dem Raum, nichts lenkte von der Verlockung ab. Die könnten sie sofort haben, sie müssten nur auf die Klingel dort drücken. So hatte die Frau (oder der Mann) ihnen versprochen, als sie das Zimmer verließ. Wenn sie aber etwas Geduld hätten und nicht klingelten, dann werde sie nach einer Weile von selbst zurückkommen und dann gebe es doppelt so viele Süßigkeiten!

Das war eine der Varianten der Versuchsreihe mit insgesamt 550 kleinen Testpersonen, deren Befunde der Psychologe Walter Mischel mit seinem Team 1970 und 1972 veröffentlichte. Es ging darum, ob schon kleine Kinder in der Lage sind, eine Belohnung in Richtung Zukunft aufzuschieben. Viele kapitulierten. Aber manche schafften es, eine unendliche Viertelstunde lang auszuharren, bis die Frau zurückkam und ihr Versprechen einlöste. Ein Teil der Kinder wurde nachuntersucht. Diejenigen, die den „Marshmallowtest“ bestanden hatten, waren später besser in der Schule, selbstbewusster, seltener übergewichtig – so Mischels Befund, der allerdings in aktuellen Studien relativiert oder bestritten wird.

Doch Walter Mischel hat seine Experimente auch nie als Test zur Selbstkontrolle verstanden. Er hielt diese Fähigkeit für erlernbar, und so interessierten ihn vor allem die Strategien, mit denen die Kinder die Versuchung auszublenden versuchten. Manche hielten sich die Augen zu und verbannten so den Köder aus dem Sichtfeld. Andere lenkten sich mit einem Liedchen ab. Besonders effizient: Ein kleines Mädchen bettete den Kopf in seine Arme auf dem Tisch – und dann schlief es ein.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Wir freuen uns über Ihr Feedback!

Haben Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Beitrag oder möchten Sie uns eine allgemeine Rückmeldung zu unserem Magazin geben? Dann schreiben Sie uns gerne eine Mail (an: redaktion@psychologie-heute.de).

Wir lesen jede Nachricht, bitten aber um Verständnis, dass wir nicht alle Zuschriften beantworten können.

2024 Jessica Sperber u.a.: Marshmallowtest ­erlaubt keine Vorhersagen auf später

2014 Mischel betont im Buch The Marshmallow Test: Selbstkontrolle ist ­erlernbar

1989 Walter Mischel u.a.: Kinder, die Süßem ­widerstehen, sind später gut im Schultest

1970 Walter Mischel beobachtet, wie Kinder einer Versuchung widerstehen

1938 Saul Rosenzweig prägt den Begriff ­Frustrationstoleranz

1909 Emil Kraepelin ­beschreibt Störungen der Impulskontrolle

Newsletter
Aus der Redaktion

Mit Infos zu unseren Schwer­punkt­themen und inhaltlichen Highlights.

Ihre Daten nutzen wir, wie es in der Datenschutzerklärung erläutert ist

Bei der Newsletter-Registrierung ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es später noch einmal.
Sie wurden erfolgreich für den Newsletter registriert.
Artikel zum Thema
Die berühmte Marshmallow-Studie wurde jetzt widerlegt. Opfer in Kauf zu nehmen, um später etwas zu erreichen, lohnt sich demnach nur bedingt.
Sie haben sich vorgenommen, weniger zu essen und zu trinken, mehr Sport zu treiben und das Leben gelassener anzugehen? Das alles kann gelingen. Versprochen!
Neue Studien zeigen eine Korrelation zwischen Zeitpunkt der Schicht und der Bereitschaft zu operieren.
Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 4/2025: Meine verborgenen Seiten und ich
Anzeige
Psychologie Heute Compact 79: Das Leben aufräumen