Die historische Zahl: 1914

Im Jahr 1914 begann Psychologe Wolfgang Köhler seine Intelligenzforschung an Schimpansen. Durch einen Aha-Moment gelangt Affe Sultan an seine Banane.

Die Illustration zeigt den Psychologen Wolfgang Köhler mit einem Schimpansen
Psychologe Wolfgang Köhler erforschte zu welchen Denkleistungen Schimpansen fähig sind. © Tim Möller-Kaya für Psychologie Heute

Koko ist ein Choleriker, Nueva sehr verschmust, Rana etwas begriffsstutzig. Aber Sultan ist der Hellste unter den sieben Schimpansinnen und Schimpansen. Und aufs Gescheitsein kommt es hier in der Anthropoidenstation der Preußischen Akademie der Wissenschaften auf Teneriffa an, wo der Psychologe Wolfgang Köhler von 1914 bis 1920 mit seinem Team studiert, zu welchen Denkleistungen die Tiere fähig sind und wie sie beim Denken vorgehen.

Sultan zum Beispiel hat ein Problem. Da liegt diese verlockende Banane, aber zu seinem Verdruss außerhalb seines Käfigs. Drinnen sind zwar ein paar Bambusstöcke auf dem Boden verstreut, aber auch wenn er einen davon zur Hand nimmt, reicht er durch das Gitter nicht bis an die Frucht heran, das hat er schon probiert. Nun hockt er auf einer der Stapelkisten, die er aus einem früheren Bananenexperiment kennt, und schaut scheinbar unbeteiligt in die Gegend. Doch in ihm arbeitet es. Plötzlich springt er auf, legt zwei der Stöcke mit den Spitzen aneinander und schiebt mit dem einen Stock den anderen bis zur Banane. Doch so lässt sie sich zwar erreichen, aber nicht reinholen.

Schließlich hat Sultan die Idee: Er drückt die beiden Bambusrohre ineinander, fixiert sie also zu einem langen Stab und angelt mit diesem das Objekt seiner Begierde. So begeistert ist er von seiner Erfindung, dass er sogar darauf verzichtet, die Banane zu essen, und stattdessen mit seinem neuen Werkzeug sogleich weitere Bananen und andere Gegenstände herbeischleift. Heureka!

Die Erkenntnisse seiner Pionierforschung breitet Köhler 1921 in dem Buch Intelligenzprüfungen an Menschenaffen aus. Fast wie Menschen, so konstatiert er, sind die Tiere in der Lage, nicht bloß zufällig durch Versuch und Irrtum, sondern einsichtsvoll zu lernen. Auch Schimpansen haben ihre Aha-Momente.

1914 Wolfgang Köhler beobachtet Schimpansen beim Denken

1960 Jane Goodall: Wildlebende Schimpansen verwenden gezielt Werkzeuge

1966 Beatrix und Allen Gardner: Eine ­Schimpansin lernt ­Gebärdensprache

1979 Herbert Terrace: ­Menschenaffen beherrschen Wortkombinationen, aber keine Grammatik

2000 Frans de Waal: Schimpansen identifizieren auf Fotos individuelle Gesichter

2008 Michael Tomasello: Schimpansen können sich in andere hineindenken (theory of mind)

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Wir freuen uns über Ihr Feedback!

Haben Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Beitrag oder möchten Sie uns eine allgemeine Rückmeldung zu unserem Magazin geben? Dann schreiben Sie uns gerne eine Mail (an: redaktion@psychologie-heute.de).

Wir lesen jede Nachricht, bitten aber um Verständnis, dass wir nicht alle Zuschriften beantworten können.

Artikel zum Thema
Er war Kopf der Gestaltungspsychologie und stellte sich den Nazis entgegen: Ein Porträt über Wolfgang Köhler anlässlich seines 50. Todestages.
Spitzhörnchen, die sich verlieben, Kohlmeisen, die Persönlichkeit zeigen: Verhaltensbiologe Norbert Sachser weiß um die Gedanken und Gefühle von Tieren
Rationales Denken, Intuition und religiöser Glaube haben nichts miteinander zu tun. Psychologen sahen das bisher anders.
Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 3/2025: Ich entscheide, was ich fühle
Anzeige
Psychologie Heute Compact 79: Das Leben aufräumen