Johannes Schirrmeister erzählt:
„Man stellt sich ans Urinal und muss dringend pinkeln. Aber dann kommt kein Tropfen. Kennen Sie das?
Meine Angst vor öffentlichen Toiletten ist eine soziale Phobie. Ich habe sie seit einer Jugendfreizeit, bei der ich zufällig neben einem Betreuer stand. So als Jugendlicher neben einer Respektsperson pinkeln – das konnte ich nicht. Danach war ich jedes Mal derart angespannt, dass sich auch mein Schließmuskel verkrampfte. Für wie seltsam müssen andere mich halten, wenn ich das Natürlichste der Welt nicht kann?
Ich entwickelte ganz unbewusst eine Routine – trank nur wenig bei der Arbeit und redete mir ein, dass ich manche Freizeitaktivitäten nicht mögen würde. Erst mit 26 wurde mir klar, wie mir die Angst die Lebensfreude nimmt: Ich sollte zu einer coolen Konferenz fliegen, konnte aber nur an die Toilettenpausen denken.
Nicht nachdenken, reingehen!
Vor Ort versuchte ich es deshalb mit Konfrontation: Nicht nachdenken, reingehen! Tatsächlich hatte ich erste Erfolge. Teil einer anonymen Masse zu sein half mir.
Wieder zurück zu Hause, geriet ich in eine idealistisch orientierte Start-up-Szene. Ich war beflügelt vom Gedanken, Menschen mit Onlinetherapie zu helfen – warum also nicht bei der Toilettenangst?
Ich gründete WeMingo. Leben kann ich von der Firma nicht, aber durch die Gründung las ich viel über Angst und erzählte erstmals davon – mit therapeutischem Effekt: Freunde gingen mit zur Toilette und ich merkte: Meine Angst, dass mein Problem auffliegt, verpufft. Sie wissen sowieso Bescheid.
Auf öffentliche Toiletten gehe ich immer noch nicht gerne. Aber ich kann jetzt dort pinkeln.“