Sie haben mehrere Projekte von Studierenden betreut, die sich mit unserer Motivation für nachhaltiges Verhalten beschäftigt haben. Um was ging es genau?
Wir denken, dass man Forschung am besten lernt, wenn man frühzeitig selbst in die Rolle der Forscherinnen und Forscher schlüpft. Bei uns haben 23 Studierende mehrere hundert Personen befragt und sie Fragebögen ausfüllen lassen. Dabei haben sie alle möglichen Aspekte thematisiert, von Flugreisen, Verkehr bis zu Shopping und Lebensmitteln. Sie haben auch Menschen beobachtet und vor Ort interviewt, etwa in Cafés, Unverpacktläden oder abends im Club. Sicherlich sind diese Stichproben nicht repräsentativ, sie stehen aber teilweise für spannende Zielgruppen.
Was haben die Studierenden herausgefunden?
Sie haben bestätigt, dass diejenigen, die viel Wert auf nachhaltiges Leben und Konsumieren legen, sich auch viel mehr anstrengen, dem nachzukommen. Die dieser Gruppe Zuzuordnenden kauften öfter in Unverpacktläden ein, um Müll zu vermeiden, und sie unternahmen mehr, um Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Sie kauften sogar vor einer Party seltener ein neues Kleidungsstück und bestellten seltener im betrunkenen Zustand etwas im Internet. Ganze 30 Prozent berichteten, auf Flugreisen zu verzichten.
Die Studentinnen und Studenten haben gelernt, dass Individuen viel abverlangt wird. Um Verpackungsmüll zu vermeiden, muss man zum Beispiel erst mal einen Unverpacktladen ausfindig machen und dann ganz anders planen, also etwa stets genügend passende Gefäße dabei haben. Wenn man Lebensmittelabfälle verringern will, muss man vorausplanen, was man in einer Woche essen will, nicht zu große Mengen kaufen und keine Spontankäufe tätigen.
Führt das dazu, dass es kaum jemand schafft, wirklich umfassend nachhaltig zu leben?
Ja, das ist so, denn auch wenn ich sehr motiviert bin – meine Ziele können miteinander in Konflikt stehen. Man ist sich vielleicht bewusst, dass Fliegen enorm viel CO2-Ausstoß produziert, aber man möchte diese Reise trotzdem für die persönliche Entwicklung machen.
Generell möchte ich sagen: Die Forschung der Studierenden zeigt sehr deutlich, dass es wirklich zu kompliziert ist, konsequent nachhaltig zu leben. Es muss für alle einfach werden, vor allem auch für die, die nicht so motiviert sind. Es ist nicht nur Bequemlichkeit, es kann viele Gründe und Zwänge geben, die uns nachhaltiges Handeln erschweren.
Was ist der wichtigste Lerneffekt für die Studierenden?
Dass es auf die richtigen Fragen ankommt. Wenn ich wissen will, wie sehr Menschen an nachhaltigem Verhalten interessiert sind, muss ich sie zum Beispiel fragen: Was ist Ihnen daran wichtig? Was sind Sie bereit, für nachhaltiges Verhalten zu tun, und welche Hürden sind Ihnen zu hoch? In der Psychologie ist das weniger banal, als es klingt, denn ich will ja etwas messen und vergleichen, was ich nicht sehe, nämlich die Motivation oder auch die Absichten einer Person.
Laura Henn ist Umweltpsychologin und Juniorprofessorin an der Universität Hohenheim. Sie leitet das Fachgebiet nachhaltiges Handeln und Wirtschaften.
Quelle
Forschungspraktikum „Suffizienz – Reduce, Reuse, Recycle“ von Studierenden der Universität Hohenheim