25 Stunden, um das Wichtigste über die Psyche zu vermitteln. Vor dieser Herausforderung stand der renommierte Psychologe Paul Bloom erstmals vor rund zwanzig Jahren, als er Studenten an der Yale University unterrichten sollte. Sein aktuelles Buch Psych.The Story of the Human Mind basiert auf seiner Einführungsvorlesung in die Psychologie. Sie gilt als eine der beliebtesten Lehrveranstaltungen an der amerikanischen Universität. Online nahmen über eine Million Menschen an ihr teil – nicht zuletzt weil Bloom sich eines leicht verständlichen Englischs bedient.
Woher kommen Bewusstsein und Intelligenz?
Er macht mit der Psyche vertraut, indem er sie zunächst in fünf Teile zerlegt: Die anatomischen und physiologischen Grundlagen, das Denken, die Triebe, die sozialen Beziehungen und die individuellen Unterschiede. „Die Themen sind breit gefächert, und wenn Sie das Buch von vorne bis hinten lesen, werden Sie alle wichtigen Aspekte der Psychologie kennenlernen“, verspricht Bloom. In der Tat beantwortet er allerlei Fragen, die Psychologieneulinge interessieren könnten: Worin lag Freud richtig – worin irrte er sich? Wie bringt das Gehirn Bewusstsein und Intelligenz hervor? Sind wir rationale Wesen?
Jene, die auf dem Gebiet der Psychologie bewandert sind, finden in Blooms Buch kompakte Antworten auf aktuelle Fragestellungen, etwa: Wie beeinflussen Vorurteile unser Wahrnehmen, Erinnern und Denken? Welche Beziehung besteht zwischen Sprache und Denken?
Die Neugier seiner Adressatinnen und Adressaten zu entfachen ist eine zentrale Stärke des Autors. „Hier haben wir ein Rätsel: Wenn Neuronen kommunizieren, ist ihre Kommunikationsweise alles oder nichts. Neuronen feuern oder sie feuern nicht. Es ist wie bei einer Pistole. Die Kugel fliegt nicht schneller, wenn man den Abzug mit aller Kraft betätigt.“ Am Ende bietet der erfahrene Dozent jedes Mal klare Schlüsse, etwa: „Das ist es also, was das Denken ausmacht: Neuronen, die über Neurotransmitter mit anderen Neuronen sprechen.“
Neuronen sind langsamer als Computer
Das ist prima für Laien, aber womöglich ein wenig zu generalisierend für kundige Personen. Was ihnen gefallen wird, ist Blooms Tendenz, fragwürdige Vergleiche zu korrigieren.
Etwa: Das Gehirn sei wie ein Computer. „Neuronen kommunizieren viel langsamer als Teile von Computern“, schreibt Bloom. „Ein Großteil des Gehirns arbeitet gleichzeitig und parallel, während Computer meist sequenziell arbeiten.“ Durch solche Richtigstellungen fördert er unter Neulingen einen kritischeren Blick auf populärwissenschaftliche Rhetorik.
Was die größte Schwäche an Blooms Buch sein könnte, ist seine größte Stärke: Der Autor bietet nur Dagewesenes – etwas, das er an über einer Million Menschen erprobt hat. Die Leserschaft, ob Laie oder Profi, profitiert in diesem Fall von dem Bewährten. Weil Bloom das Material, das er hier bietet, immer wieder verbessern konnte, vermag er in einem Absatz Comedians zu zitieren, im nächsten Darwin zu diskutieren – und uns mit beidem noch tiefer in den Bann der Psychologie zu ziehen.
Paul Bloom: Psych. The Story of the Human Mind. Ecco 2023, 464 S., ca. € 25,–