Schluss mit der Selbstsabotage!

Warum legen wir uns immer wieder Steine in den Weg? Zwei Bücher erklären, wie Sie Selbstsabotage erkennen und Ihren Zielen näherkommen können.

Ein Bücherstapel mit den Büchern, die in Ausgabe 11/2024 vorgestellt werden
Das ist der Bücherstapel der Rezesionen aus der Novemberausgabe. © Psychologie Heute

„Du stehst dir selbst im Weg!“ Wie oft haben wir das von anderen gehört – oder es im Stillen über uns selbst gedacht? Selbstsabotierendes Verhalten umfasst Handlungen und Denkmuster, die bewusst oder unbewusst unsere langfristigen Ziele und das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen. Selbstsabotage ist keine psychische Erkrankung. Aber sie kann Symptom einer solchen sein, etwa einer Angststörung, eines Traumas – oder narzisstischer Nöte, wie Pablo Hagemeyer nahelegt. In seinem Buch Hör auf mit der Selbstsabotage will der Psychiater die Selbstreflexion seiner Leserschaft fördern, damit diese erkennt, wie narzisstische Eigenschaften ihren Alltag sabotieren.

Auch Lamiya Pitussi will die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten und Denken fördern. Allerdings richtet sich die psychologische Beraterin nicht nur an Menschen mit ausgeprägt narzisstischen Zügen, sondern an alle, die in ihrem Alltag unter selbstaufgebauten Hürden leiden. Hagemeyer und Pitussi gehen dabei auf eine grundlegend unterschiedliche Weise vor.

Zur Rettung meiner Ehe

Pablo Hagemeyer macht seine Eheprobleme nicht nur zu einem Beispiel für Selbstsabotage, sondern auch zum Schwerpunkt seines Buches. Während eines Familienurlaubs in Portugal will er sich den Schwierigkeiten stellen und spielt seiner Frau zuliebe Golf, eine Betätigung, die er immer als „Bonzensport“ abgetan hatte. „Mit einem dünnen Stock einen kleinen Ball in die gewünschte Richtung schlagen, ihn eine halbe Stunde lang suchen und dann wieder von vorn anfangen, bis man den Ball in ein kleines Loch unter einem roten Fähnchen schiebt. Das tat ich jetzt, zur Rettung meiner Ehe“, so Hagemeyer.

In Kapiteln mit der Überschrift „Lotti und Pablo“ kehrt er immer wieder zu der komplizierten Situation mit seiner Frau zurück. Sein Buch liest sich unterhaltsam, ähnlich einer Strandlektüre. Allerdings droht seine Leserschaft dabei auf der Strecke zu bleiben, weil der Autor ihr wenige konkrete Tipps bietet.

Hagemeyer beschreibt die verschiedenen Formen der Selbstsabotage bei narzisstischen Menschen: „Die Verbindung zwischen Narzissmus und Selbstsabotage liegt in der Art und Weise, wie wir unser Selbstbild konstruieren“, heißt es da. „Typischerweise wenden narzisstisch akzentuierte Personen Kognitionen an, die sie selbst massiv täuschen, wenn sie davon ausgehen, extrem erfolgreich zu sein, aber objektiv nur im Mittelfeld liegen, oder sich in bestimmten Gebieten für außergewöhnlich kompetent halten, obschon sie eher durchschnittlich sind.“ Doch seine Lösungsansätze hält der Autor vergleichsweise kurz und oberflächlich.

Die Sabotage als Selbstschutz

Das ist bei Lamiya Pitussi deutlich anders. Ihr Buch mit dem Titel Sabotiere ich mich selbst? ist in sechs Kapitel unterteilt – vom ersten bis zum letzten geht es um das Wohl ihrer Leserinnen und Leser und wie diese aus dem Teufelskreis der Selbstsabotage herausfinden können.

Besonders nützlich ist das Kapitel „Typische Denk- und Verhaltensweisen“, weil es uns überraschend leicht die Ursachen unserer Selbstsabotage identifizieren lässt – sei es ein Mangel an Selbstbewusstsein, eine problematische Beziehung, Mangel an Empathie oder Pessimismus. „Das Buch wird dich in erster Linie zum Nachdenken anregen, dich mit gängigen und neuen Sichtweisen konfrontieren“, verspricht die Autorin – und hält ihr Versprechen. Es gelingt Pitussi, alltägliche und automatisierte, aber selbstsabotierende Verhaltensweisen in unseren Fokus zu rücken und sie Schritt für Schritt anzugehen. Dabei beweist die Autorin viel Geduld und Feingefühl, was auf ihre Leserinnen abfärbt: Man zwingt sich nicht, krampfhaft den Empfehlungen der Autorin zu folgen, sondern geht eher langsam, aber motiviert vor.

Pitussis Buch bietet ihren Lesern eine Vielzahl von Ansätzen und Denkanreizen, die Hagemeyer seiner Leserschaft schuldig bleibt. So zeigt die Autorin, wie eng Schutzmechanismen mit Selbstsabotage zusammenhängen können, und hilft dabei, die eigene Unzufriedenheit als einen Kompass einzusetzen, der zeigt, auf welchem Gebiet die Lesenden sich sabotieren und welche Richtung sie einschlagen sollten.

Der Aufbau ihres Buches ermöglicht eine stete und konzentrierte Selbstreflexion. Wer entschlossen und konsequent an hinderlichen Denk- und Verhaltensweisen arbeiten will, der greife zu Pitussis Ratgeber.

Ein unkomplizierter Zugang

Wer wiederum einfach mehr über Selbstsabotage erfahren möchte, für den ist Hagemeyers Buch die bessere Option. Sein Buch ist weniger ein Ratgeber als vielmehr Edutainment – und bald schon fragt sich der Lesende, ob der Autor seine Ehe retten wird. Wobei der edukative Teil mit gewisser Vorsicht gelesen werden sollte, weil Hagemeyer hin und wieder verallgemeinert und Aussagen trifft, über die sich streiten ließe. So bezeichnet er beispielsweise die Persönlichkeitspsychologie als eine junge Wissenschaft, obgleich sie – anders als andere Zweige der Psychologie – über ein Jahrhundert alt ist.

Dennoch eröffnen uns beide, Hagemeyer und Pitussi, einen überraschend unkomplizierten Zugang zu einem vermeintlich komplizierten Alltagsproblem.

Lamiya Pitussi: Sabotiere ich mich selbst? Wie wir wiederkehrende Problemschleifen auflösen. Gräfe und Unzer 2024, 160 S., € 17,99

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