Optimismus hilft, ein bisschen

Eine zuversichtliche Grundhaltung ging bei Geflüchteten mit etwas geringer ausgeprägten Traumasymptomen einher.

Weltweit sind Millionen von Menschen auf der Flucht © Richard Drury/Getty Images

Menschen, die vor gewalttätigen Konflikten oder existenzieller Not geflohen sind, entwickeln im Zielland in etwa 30 Prozent der Fälle Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung, darüber hinaus auch oft Depressionen oder Angststörungen. Forscherinnen und Forscher der Universitätsmedizin Leipzig gingen jetzt der Frage nach, ob Geflohene in unterschiedlichem Maß Resilienz mitbringen und ob sie das davor schützen könnte, allzu starke Symptome einer psychischen Störung zu entwickeln. Dafür werteten sie die Daten einer Befragung von rund 550 Geflohenen aus 30 verschiedenen Herkunftsländern aus, die gerade erst nach Deutschland gekommen waren. Ergebnis: Die optimistischeren Befragten zeigten im Durchschnitt etwas geringere Symptome einer PTDS.

Sie berichteten seltener als andere von negativen Gedanken, erhöhter Anspannung und Reizbarkeit (Hyperarousal) und von weniger Intrusion, dem unvermittelten und nicht steuerbaren Auftauchen von bruchstückhaften Erinnerungen, ausgelöst durch einzelne Sinneseindrücke wie Gerüche, Geräusche, die an das Ereignis erinnern. Umgekehrt hing Pessimismus mit stärker ausgeprägten Beschwerden zusammen, scheint also weniger zuträglich zu sein, diesen Belastungen psychisch entgegenzutreten. Mit den in der Psychiatrie „Vermeidung“ genannten Symptomen, also Teilnahmslosigkeit, Gleichgültigkeit, Vermeiden von Situationen, die Erinnerungen wachrufen könnten, hing weder Optimismus noch Pessimismus zusammen.

Angriffe mit und ohne Waffe 

Von den Befragten berichteten 87 Prozent, mindestens eine traumatische Erfahrung erlebt zu haben, am häufigsten wurden dabei Angriffe ohne Waffe genannt. 56 Prozent gaben an, Opfer eines Angriffs mit einer Waffe geworden zu sein und 46 Prozent erklärten, schweres menschliches Leid erlebt zu haben. Insgesamt 35 Prozent erreichten Werte für das Vorliegen einer PTBS. Eine optimistische Lebenshaltung könne also durchaus die Resilienz stärken, schütze aber nicht vor der Entstehung einer Belastungsstörung, so die Forschenden. Die Autorinnen und der Autor schreiben, die Studienergebnisse können als „vorsichtiger Hinweis“ gesehen werden, dass Optimismus zur Resilienz bei Geflüchteten beitrage.

Doch sei Zuversicht nur einer von vielen Faktoren, die helfen könnten, die vor und oft auch während der Flucht erlebten Belastungen zu bewältigen. Im Zielland spiele der aufenthaltsrechtliche Status eine wichtige Rolle, ebenso die wirtschaftliche Situation wie auch der Zugang zum Gesundheitssystem. Bis Geflohene in einem Zielland ankämen, hätten sie bereits erhebliche Anstrengungen und Bewältigungsversuche unternommen, ihre Lage zu ertragen oder zu verbessern, schreibt das Forschungsteam. Sie seien eine im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung hochbelastete Gruppe. Insgesamt 35 Prozent der Befragten zeigten Symptome für PTBS. Sie kamen aus afrikanischen Ländern wie Kamerun oder Nigeria, aus Syrien, der Türkei und Venezuela.

Für auffallend halten die Autorinnen und der Autor den Befund, dass die Befragten durchschnittlich optimistischer waren als die Normalbevölkerung. Dies lasse sich vielleicht damit erklären, dass in der speziellen Phase nach der Ankunft in Deutschland eine gewisse Erleichterung herrsche darüber, im Zielland angekommen zu sein. Sorgen über die Zukunft würden mitunter erst zu einem späteren Zeitpunkt wichtig werden. Möglich sei aber auch, dass es dafür methodische Gründe gebe und die Ergebnisse verzerrt seien.

Charlotte Papke u. a.: Zusammenhänge zwischen Optimismus, Pessimismus und PTBS-Symptomatik bei seit Kurzem in Deutschland lebenden Geflüchteten. Verhaltenstherapie, 2022. DOI: 10.1159/000524520

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