Starke Gefühle

Was der Krieg gegen die Ukraine in Menschen in Polen, Deutschland, Großbritannien und Deutschland auslöste, zeigt eine Studie.

Die Bereitschaft, Geflohene aus der Ukraine aufzunehmen, ist sehr hoch, aus Empathie heraus und wahrscheinlich auch, weil sie uns ähnlich sind. © Andriy Onufraiyenko/Getty Images

Heftiger Ärger über den Angriff auf die Ukraine, große Empathie mit den Menschen in der Ukraine und Angst – der Krieg löste in Menschen in Polen, Deutschland, Polen und den USA fast gleichermaßen heftige Emotionen aus. Dies ergab eine Studie der Psychologen Morgen Moshagen von der Universität Ulm und Benjamin E. Hilbig von der Universität Koblenz-Landau. Sie befragten kurze Zeit nach Beginn des Kriegs jeweils knapp 300 Personen in den vier Ländern. Gefühle von unmittelbarer Bedrohung waren – wohl wegen der geografischen Nähe – in Polen am stärksten ausgeprägt und in den weit entfernt gelegenen USA am schwächsten, aber auch hier waren es mehr als die Hälfte der Befragten. 

In Polen stimmte auch ein größerer Anteil der Befragten als in den anderen Ländern der Lieferung von Waffen, militärischer Unterstützung sowie dem Beenden diplomatischer Beziehungen zu. Dort war gleichzeitig die Empathie für die Menschen in der Ukraine sehr groß – kaum geringer als in Deutschland, wo sie von allen vier Ländern am ausgeprägtesten war. Überwiegend hielten alle Teilnehmenden Sanktionen gegen Russland für angemessen, jedoch in etwas unterschiedlichem Ausmaß.

Kulturelle Nähe

Auch zeigten die Teilnehmenden eine große Bereitschaft, Geflohene aus der Ukraine im eigenen Land aufzunehmen. Nur zwei Prozent in Deutschland und sieben Prozent in Großbritannien oder den USA waren skeptisch. Dies sei angesichts normalerweise verbreiteter Ressentiments gegen die Aufnahme von Geflüchteten wohl nicht nur mit Empathie, sondern auch mit kultureller Ähnlichkeit der Geflohenen zu uns selbst zu erklären, Ukrainerinnen und Ukrainer gelten als europäisch. Dies verringere die psychologische Distanz, die Geflohenen aus anderen Ländern gegenüber sonst oft bestehe, schreiben Moshagen und Hilbig. 

Zusätzlich fragten die beiden Forscher nach der politischen Orientierung und erhoben, ob die Teilnehmenden die in der Psychologie bekannten „dunklen Eigenschaften“ aufwiesen, also etwa Machiavellismus (Wunsch nach Macht und Manipulation anderer) oder Psychopathie (Kälte, großer Egoismus). Bei Teilnehmenden, die sich politisch eher rechts verorteten, waren Ärger, Angst und Bedrohung weniger stark, sie schienen also etwas weniger emotional involviert. Je weiter rechts die Befragten politisch lagen, desto weniger Akzeptanz für Geflüchtete aus der Ukraine zeigten sie. Bei ihnen fanden die Forschenden eine stärkere Neigung, den Krieg für gerechtfertigt zu halten. Die Wissenschaftler sehen darin eine Bestätigung früherer Befragungen, laut denen sich Anhängerinnen und Anhänger dem Westen politisch Russland angenähert hätten. Zugleich fanden sie pazifistische Einstellungen eher im linken Spektrum, wie sie erwartet hatten. 

Frauen zeigten sich emotionaler

Frauen berichteten von signifikant stärkerer Wut, Angst, Empathie und Bedrohung als Männer. Ihnen erschien der Krieg noch weniger gerechtfertigt als den Männern. Personen, bei denen sich die Eigenschaften der Dunklen Triade zeigten, reagierten, wie die Forscher schreiben erwartungsgemäß, weniger emotional und weniger empathisch. Ihnen erschien die Aktion eher gerechtfertigt als anderen Befragten. Die Forscher weisen darauf hin, dass an der Studie nur Freiwillige teilnahmen, die sich auf der Plattform Prolifics gemeldet hatten, und die sich vermutlich ohnehin stärker emotional vom Krieg betroffen fühlten.

Morten Moshagen, Benjamin E. Hilbig: Citizens psychological reactions follwing the Russion invasion of the Ukraine: A cross-national study. PsyArXiv Preprints, 2022. DOI: 10.31234/osf.io/teh8y

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