Stress in der Pandemie

Psychisch erkrankte Menschen fühlten sich während des Lockdowns deutlich stärker isoliert als andere und hatten ein höheres Stressrisiko.

Die Pandemie machte weltweit vielen Menschen Angst, besonders in der Zeit, als weder Impfstoffe noch Medikamente in Sicht waren. Jetzt gingen Psychologinnen und Psychologen der Frage nach, wie sich die Lockdown-Situation im vergangenen Jahr auf bereits vor der Pandemie psychisch Erkrankte auswirkte und stellten fest: Die psychiatrischen Patientinnen und Patienten fühlten sich überproportional stärker isoliert als die Probandinnen und Probanden der gesunden Kontrollgruppe, obwohl Ereignisse wie Quarantäne, Homeoffice, Kurzarbeit, Jobverlust, Schulschließungen der Kinder oder Einschränkungen bei der Kinderbetreuung bei allen gleich häufig vorkamen. Das Ergebnis: Die Notwendigkeit, sich von anderen zu distanzieren und zu isolieren, bedeutete für die psychiatrischen Patientinnen und Patienten ein höheres Risiko, Stress zu erleiden. Wahrscheinlich, so die Autorinnen und Autoren, verfügten gesunde Befragte über mehr Ressourcen sowie Resilienz und konnten Gefühle der Isolation besser abfedern.

Das Forschungsteam kontaktierte psychisch gesunde und erkrankte Teilnehmende, die zwischen 2014 und 2018 für die DFG FOR2107-Längsschnitt-Studie untersucht worden waren, in deren Mittelpunkt die Neurobiologie affektiver Störungen steht. Von ihnen wurden 1268 Personen, die Hälfte mit einer psychiatrischen Diagnose und die andere Hälfte gesund, wenige Wochen nach Pandemiebeginn erneut befragt. Alle hatten im Schnitt drei Covid-Ereignisse erlebt. 18,6 Prozent der Befragten gaben an, dass bei ihnen selbst oder einer nahestehenden Person Quarantäne angeordnet worden war.

Ein Drittel der an Depressionen, Schizophrenie oder einer bipolaren Störung Erkrankten berichtete zudem davon, dass sich ihre Krankheitssymptome nach Beginn der Pandemie verstärkten. Rund zehn Prozent fanden, ihre Symptomatik habe sich verbessert. Die übrigen bemerkten hinsichtlich der Erkrankung keinen Unterschied zu der Zeit vor der Pandemie. Wie könnten diese Unterschiede innerhalb der Gruppe der Erkrankten erklärt werden? Die Forschenden analysierten die Daten daraufhin und stellten fest: Der Grund könnte sein, dass die psychisch erkrankten Teilnehmenden sich signifikant in der Bewertung des Einflusses unterschieden, den die Pandemie auf ihr Leben ausübte. Offenbar führte also nicht die Erkrankung an sich, sondern die negative Bewertung der Krisensituation zu der Verschlechterung der Symptome.

Die Pandemie ist eine lange dauernde Krise 

Egal ob gesund oder erkrankt – eine geringe soziale Unterstützung, hohe Gewissenhaftigkeit sowie eine größere Neigung zu Angst waren die Faktoren, die mit den stärksten Stressgefühlen während des Lockdowns einhergingen. Die Autorinnen und Autoren schreiben, dass in der langandauernden Pandemie – anders als bei singulären Ereignissen wie Naturkatastrophen oder Terrorattacken – insgesamt kein vermehrter Zusammenhalt zwischen Menschen entstand, weil die Notwendigkeit, sich zu distanzieren, genau dies erschwerte und Einsamkeitsgefühle im Lauf der Zeit intensiver wurden. 

Katharina Brosch u. a.: Which traits predict elevated distress during the Covid-19-19 pandemic? Results from a large, longitudinal cohort study with psychiatric patients and healthy controls. Journal of Affective Disorders, 297, 2022. DOI: 10.1016/j.jad.2021.10.017

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