Wenn mit den Jahren Gedächtnis und Aufmerksamkeit nachlassen, muss das kein Warnzeichen beginnender Demenz sein. Es ist normal, dass manche – nicht alle – kognitiven Leistungen nachlassen. Mit zunehmendem Alter schrumpft das Gehirn. Buchstäblich. Denn selbst bei gesunden Menschen sterben Nervenfasern ab. Auch andere Alterserscheinungen wie Ablagerungen im Gefäßsystem des Gehirns und ein Schwund des Botenstoffes Dopamin sind zwar verbreitet, können aber das Denken beeinträchtigen. Konzentrieren und Erinnern fallen dann zunehmend schwer. Die gute Nachricht: Der altersbedingte Abbau lässt sich durch bestimmte geistige und körperliche Aktivitäten hinauszögern.
1 Rechner hochfahren
„Computer? Das ist mir zu kompliziert und umständlich!“ Ältere Menschen, die mit dem Rechner auf Kriegsfuß stehen, sollten sich das noch einmal überlegen. Wie kaum eine andere Aktivität fordert der Computer das alternde Denkorgan heraus. Das suggeriert eine kürzlich veröffentlichte amerikanische Studie: Über einen Zeitraum von vier Jahren begleitete das elfköpfige Forscherteam knapp 2000 Probanden im Alter von 70 Jahren und darüber. Fazit: Wer regelmäßig mit der Rechenmaschine arbeitet, beugt der Demenz vor. Die positive Wirkung war sogar bei Probanden mit dem ApoE4-Gen zu beobachten, einem Risikofaktor für Alzheimererkrankungen.
2 Brett für den Kopf
Mensch, ärgere dich nicht! Im Gegenteil: Wer spielt, hat Grund zur Zuversicht. Denn Gesellschaftsspiele jeder Art können geistigen Verfall hinauszögern. Das ergab eine amerikanische Studie, an der Freiwillige im Durchschnittsalter von 77 Jahren teilnahmen. Jene unter ihnen, die regelmäßig würfelten, auf Los vorrückten oder zugewiesene Aufgaben lösten, genossen Vorteile gegenüber Altersgenossen, die sich für derlei Brettspielgeschäftigkeit nicht begeistern konnten. Auch jene Senioren, die gerne bastelten, taten ihrem Denkorgan einen großen Gefallen: „Ältere Menschen, die sich auch im fortgeschrittenen Leben an diesen mental stimulierenden Aktivitäten beteiligten“, so berichtet das Forscherteam, „hatten ein geringeres Risiko für sogenannte leichte kognitive Beeinträchtigungen.“ Diese gelten als Vorstufe zu Demenzerkrankungen.
3 Im Wiegeschritt
Sport tut generell dem Denkorgan gut. Aber welche körperliche Betätigung ist besser für das alternde Gehirn – Tanzen oder Fitness? Dieser Frage ging ein achtköpfiges Forscherteam aus Magdeburg nach. Anhand bildgebender Verfahren verglichen die Wissenschaftler die Gehirne der Tänzer mit denen der Fitnessfans. Alle Freiwilligen waren zwischen 60 und 70 Jahre alt und hatten 18 Monate lang regelmäßig an einer der zwei Sportarten teilgenommen. Wie sich herausstellte, profitierten sie alle von der Bewegung, doch die Tänzer hatten einen Extrabonus: „Sowohl Tanz- als auch Fitnesstraining kann die Plastizität des Hippocampus bei älteren Menschen fördern, aber nur das Tanztraining verbesserte ihr Gleichgewichtsvermögen“, berichten die Forscher. Der Hippocampus spielt eine entscheidende Rolle beim Bilden neuer Erinnerungen. Ohne ihn könnte sich der Mensch nichts Neues merken.
4 Die Sonne grüßen
Der Sonnengruß ist die weithin bekannteste Yogaübung, eine Abfolge von zwölf Bewegungen. Wer sie regelmäßig praktiziert, stärkt das Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit. Ein brasilianisch-amerikanisches Forscherteam rekrutierte Frauen über 60 Jahre, die zu diesem Zeitpunkt seit mindestens acht Jahren Yoga betrieben. Gleichzeitig stellten die Wissenschaftler eine Kontrollgruppe auf: Diese Frauen waren im selben Alter, sie hatten ein vergleichbares Bildungsniveau, und sie verschafften sich wöchentlich ähnlich viel körperliche Betätigung wie die anderen Frauen – bloß praktizierte eben keine dieser Vergleichsprobandinnen Yoga. Mithilfe bildgebender Verfahren verglichen die Forscher die Gehirne der Teilnehmerinnen. „Im Gegensatz zur Kontrollgruppe waren bei den Probandinnen der Yogagruppe jene Areale besonders ausgeprägt, die für Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Handlungsplanung und essenzielle Handlungssteuerungen notwendig sind“, berichten die Forscher um Rui Afonso.
5 Mittendrin statt nur dabei
Ein „Superager“ möchte man sein. So nennen amerikanische Forscher jene Menschen, die auch im Alter von über 80 Jahren ein außergewöhnlich gutes Langzeitgedächtnis aufweisen. Worauf geht die bemerkenswerte kognitive Leistung zurück? Womöglich auf psychisches Wohlbefinden und wenig Stress, vermutete kürzlich ein Forscherteam. Immerhin sind Stresshormone wie Kortisol dafür bekannt, dass sie langfristig das Gedächtnis beeinträchtigen können. In ihrer Studie beantwortete eine Auswahl von solchen alten Menschen mit einem außergewöhnlichen Erinnerungsvermögen verschiedene Fragebögen, unter anderem zu ihrem Lebensstil. Wiederum hatten die Wissenschaftler eine Kontrollgruppe rekrutiert, um die Antworten vergleichen zu können. Die Superager unterschieden sich lediglich in einem Punkt von den anderen: „Sie unterhielten mehr positive Beziehungen zu ihren Mitmenschen“, so das Team. Ein ausgeprägtes soziales Netzwerk (im Gegensatz zu oberflächlichen Bekanntschaften) kann gerade im höheren Alter dem kognitiven Abbau entgegenwirken.
Literatur
Janina Krell-Roesch u.a.: Association between mentally stimulating activities in late life and the outcome of incident mild cognitive impairment, with an analysis of the APO ε4 Genotype. JAMA Neurology, 2017. DOI: 10.1001/jamaneurol.2016.3822
Kathrin Rehfeld u.a.: Dancing or fitness sport? The effects of two training programs on hippocampal plasticity and balance abilities in healthy seniors. Frontiers in Human Neuroscience, 2017. DOI: 10.3389/fnhum.2017.00305
Rui Afonso u.a.: Greater cortical thickness in elderly female yoga practitioners – a cross-sectional study. Frontiers in Aging Neuroscience, 2017. DOI: 10.3389/fnagi.2017.00201
Amanda Cook Maher u.a.: Psychological well-being in elderly adults with extraordinary episodic memory. PLOS, 2017. DOI: 10.1371/journal.pone.0186413