Warum ist psychologische Rigidität so schlecht fürs Wohlbefinden?

Wer sein Verhalten nicht flexibel an Veränderungen anpassen kann, büßt an Wohlgefühl ein. So konnte Psychologe Marlon Westhoff das erforschen

Das Bild zeigt einen Mann im Anzug und Brille aber ohne Kopf vor einer grauen Wand
Wer starr bleibt im eigenen Verhalten, geht unter. Anpassungsvermögen ist heute wichtiger denn je. © Thomas Jackson/Getty Images

Was verstehen Sie unter psychologischer Flexibilität?

Psychologische Flexibilität beschreibt die Fähigkeit, sich entsprechend eigener Werte an sich verändernde Umstände anzupassen. Diese Umstände können die Außenwelt betreffen, aber ebenso unser Innenleben. Auch Gefühle und Gedanken ändern sich, und wir reagieren darauf in bestimmter Weise. Manchmal haben wir jedoch den Eindruck, wir stecken fest, fühlen uns festgefahren. Das ist dann das Gegenteil von gelungener Anpassung: Wir nennen es Rigidität. Unsere Forschung konzentrierte sich auf die dynamischen Aspekte der psychologischen Flexibilität, um deren Interaktion mit dem Umgang mit Gedanken und Gefühlen zu untersuchen. Statische Messungen würden diese Dynamik nicht erfassen können.

Sie haben dafür eine Tagebuchstudie gewählt. Was haben Sie herausgefunden?

114 junge Erwachsene haben drei Wochen lang jeweils fünfmal am Tag Fragen beantwortet, die Prozesse der psychologischen Flexibilität, insbesondere der Verhaltensanpassung und Rigidität sowie den Umgang mit Gedanken und Gefühlen erfassten. Dabei stellte sich Rigidität als der einflussreichste Faktor heraus, da sie von allen Prozessen die vergleichsweise stärkste Vorhersagekraft hatte.

Daraus lässt sich schlussfolgern: Wenn wir den Eindruck haben, festzustecken, und unser Verhalten nicht flexibel anpassen können, scheint das weitere Schwierigkeiten im Umgang mit Gedanken und Gefühlen auszulösen – uns geht es nicht gut. Dagegen hängt erfolgreiche Verhaltensanpassung vor allem mit positiven Prozessen zusammen, scheint jedoch im Vergleich zur Rigidität weniger einflussreich auf das allgemeine Wohlbefinden zu sein.

Was bedeutet das für unseren Umgang mit Gedanken und Gefühlen?

Übersetzt bedeutet das: Feststecken in starren Verhaltensmustern kann unser Wohlbefinden stark beeinträchtigen. Flexibles Anpassen an sich ändernde Umstände, ob in unserem Inneren oder im Außen, tut uns gut, ist aber vergleichsweise weniger entscheidend.

Welche Vorteile hat diese Art der Forschung?

Da die Anpassung an verändernde Kontexte, etwa der Umgang mit Gedanken und Gefühlen, im Verlauf der Zeit passiert, ist es uns wichtig, diese Prozesse dynamisch, also über die Zeit hinweg zu erfassen. Ebenso ist psychologische Flexibilität sehr komplex, erfordert also eine gleichzeitige Betrachtung weiterer Prozesse, etwa der Gedanken und Gefühle.

Wir konnten den dynamischen Charakter unseres Innenlebens bestätigen: Zwischen positiven und negativen Gedanken und Gefühlen sowie Flexibilität und Rigidität bestanden vielfältige Wechselwirkungen. Ebenso können wir einflussreiche Prozesse identifizieren, in unserem Fall die Rigidität, die potenziell selbstverstärkende ungesunde Schleifen initiieren kann. Diese Ergebnisse haben direkte praktische Relevanz. Moderne therapeutische Interventionen wie etwa die prozessbasierte Therapie sind speziell darauf hin ausgerichtet, die psychologische Flexibilität einer Person zu stärken.

Marlon Westhoff ist Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut in Weiterbildung und forscht an der Universität Marburg.

Quelle

Marlon Westhoff u.a.: Psychological flexibility and cognitive-affective processes in young adults’ daily lives. Scientific Reports, 2024. DOI: 10.1038/s41598-024-58598-3

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