1 Festfreuden
Dass Weihnachten das Fest der Liebe sei, ist durchaus wörtlich zu verstehen. Ein amerikanisch-portugiesisches Forschungsteam zählte 2017 weltweit über ein Jahrzehnt hinweg aus, wie häufig im Jahresverlauf das Wort „Sex“ in das Suchfeld von Google eingetippt wurde. Eindeutiges Ergebnis: In christlich geprägten Ländern erreichte das erotische Interesse immer in der Weihnachtswoche einen Höhepunkt – außer im orthodoxen Christentum, wo nicht nur das Weihnachtsfest, sondern offenbar auch die erotischen Feierlichkeiten zeitversetzt begangen werden. Wer nun aber glaubt, nach dem Motto „Im Weihnachtsurlaub hat man mehr Muße, und da kommen einem eben allerhand Gedanken“ eine allzu profane Erklärung parat zu haben, die oder der irrt!
Denn: An anderen feiertagsgesättigten christlichen Festen wie etwa Ostern blieb der Libidoeffekt aus. Doch woran lag es dann? Um das Rätsel zu lüften, klopften die Forschenden um den Informatiker Ian Wood in sieben Staaten über einen Zeitraum von vier Jahren sämtliche Posts auf Twitter (heute X) auf ihren emotionalen Gehalt ab. Und siehe: Sobald das Fest der Liebe näherrückte, kündeten die Tweets von einer zunehmend fröhlichen Stimmungs- und einer entspannten Seelenlage. Glück und Ausgeglichenheit sind die Ingredienzen des Weihnachtsfeelings, das zu eben jener Sorte freudvoller Begegnungen einlädt, die – auch dies bestätigte das Team – zu einem weiteren Gipfel führten: in der Geburtenrate neun Monate später.
2 Der Blues danach
Welcher Art auch immer die zwischenmenschlichen Begegnungen während der Weihnachtsferien im Einzelfall waren – der Katzenjammer folgt, sobald der Arbeitsalltag einen wieder umfangen hält. Schmerzhafte Wiedereingliederung ist nun gefragt. Besonders hart trifft der Nachweihnachtsblues Studierende, wie vor einigen Jahren eine von Annette Cashmore geleitete Studie an der University of Leicester deutlich machte. Die Freiwilligen führten ein Videotagebuch. Vor allem für Erstsemester erwies sich die Rückkehr an die Universität im Januar als emotionaler Tiefpunkt. Eben noch in ihrem ersten Heimurlaub im Elternhaus verwöhnt und bekocht, umfing sie nun wieder die fremde Umgebung, in der die Freundschaften noch nicht gefestigt und die Abläufe noch nicht eingespielt waren. Und dann auch noch die anstehenden Prüfungen!
3 Auf ein Neues
Trost naht da in Gestalt einer aktuellen Studie: Gerade für diejenigen, die das Fest besonders genossen haben, verfliegt das Jahr schneller – und schon ist wieder Weihnachtszeit! Ein britisch-irakisches Forschungsteam fragte gut 1000 Personen in Großbritannien und mehr als 600 im Irak nach ihrer Wahrnehmung der Zeit bis zum großen Fest – und stellte fest, dass das Intervall von Jahr zu Jahr zu schrumpfen schien. 76 Prozent der Britinnen und Briten hatten den Eindruck: „Weihnachten kommt jedes Jahr früher“, und 70 Prozent der Befragten im Irak sagten das Gleiche über den Ramadan.
Überdurchschnittlich anfällig für die Zeitbeschleunigung waren Menschen, für die die Festtage eine besonders schöne Zeit waren. Schneller verging die Zeit auch für diejenigen, die oft über deren Verstreichen nachdachten, es aber gleichzeitig nicht so mit dem Planen hatten, also gerne mal unter den Tisch fallenließen, was sie sich vorgenommen hatten. In der Zeitwahrnehmung gibt es das Phänomen, dass ereignisreiche Phasen uns im Rückblick länger vorkommen. Ähnliches könnte für den Vorausblick gelten, vermuten die Psychologin Ruth Ogden und ihr Team: Wer die Zukunft detailliert durchplant, dem erscheint sie länger als jemandem, der eher leichtfüßig in sie hineinlebt.
4 Zweifel
Sollten Eltern ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie ihre Kinder im Glauben an den Weihnachtsmann bestärken? Unbedingt, schrieben der britische Psychologe Christopher Boyle und seine Kollegin Kathy McKay 2016 im Journal Lancet. Auch wohlmeinende Lügen könnten das Vertrauen der Kinder in ihre Eltern unterminieren.
Zu einem ganz anderen Schluss kamen einige Jahre zuvor die kanadischen Forschenden Serge Larivée und Carole Sénéchal. Sie verwiesen auf eine Befragung von Sieben- bis Dreizehnjährigen aus dem Jahr 1896, die 1979 wiederholt wurde. 22 Prozent der Kinder im Jahr 1896 und 39 Prozent im Jahr 1979 waren „enttäuscht“, als sie ihren Glauben an den Weihnachtsmann verloren, aber nur zwei beziehungsweise sechs Prozent fühlten sich „betrogen“. Meist seien Kinder auf dem Weg des Zweifels selbst die treibende Kraft, denn mit fortschreitendem Alter haderten sie mit Fragen. Etwa: Wie kommt Santa in die Wohnung, wenn sie gar keinen Schornstein hat? Oder: Wie kann er in nur einer Nacht all die Millionen Geschenke ausliefern, das schafft doch kein Rentier!
5 Beweise
Vielleicht sollten Eltern diese Zweifel besser ausräumen statt bestärken, denn schließlich gibt es überaus schlüssige wissenschaftliche Erklärungen. Das Gespann mit dem Himmelsschlitten kann seine Herkulesaufgabe sehr wohl bewältigen, wie der Ingenieurwissenschaftler Larry Silverberg von der North Carolina State University vor einigen Jahren darlegte. Laut Insiderinformationen, die Silverberg vom Nordpol bezogen haben will, nutzt Santa Hightech, die der unseren weit voraus ist. So bestünden sowohl der Schlitten als auch die Rentiere selbst aus einer wabenförmigen Titaniumlegierung, unendlich leichter und um ein Vielfaches stabiler als alles, was uns bekannt ist. Das Material sei zudem formbar – aerodynamisch im fusionsraketenbeschleunigten Flug, robust bei der Schornsteinlandung. Lasersensoren und Elektronik weisen Santa den optimalen Pfad durch alle Luftturbulenzen. Auch müsse er keinerlei Gewicht transportieren, denn die Geschenke würden direkt in dem Sack erzeugt, den er bekanntlich mitführe. Weil all dies aber nicht hinreicht, nutze er zusätzlich „Relativitätswolken“, wie Silverberg andeutet.
Dass der Weihnachtsmann auf Einsteins Relativitätstheorie zurückgreift, hat die Physikerin Katy Sheen von der University of Exeter 2016 in einem Weihnachtsvortrag bekräftigt. Bei seinem Flug nahe der Lichtgeschwindigkeit werde die Zeit unermesslich gedehnt, wodurch sich der Mammuttransport bequem bewältigen lasse. Eine Begleiterscheinung sei allerdings, dass das gesamte Gespann sich entlang der Flugrichtung in grotesker Weise ausdehne. Zudem wechsle Santa aufgrund des Doppler-Effekts die Farbe seiner Kleidung von Rot zu Grün, und bei noch höherem Tempo werde er unsichtbar. Womit dann auch geklärt wäre, warum er so selten gesichtet wird.
Quellen
Ian B. Wood u.a.: Human Sexual Cycles are Driven by Culture and Match Collective Moods. Scientific Reports, 7/1, 2017, Article number 17973
University of Leicester: Student video diaries reveal true depth of the post-Christmas blues. ScienceDaily, 2010
Ruth Ogden u.a.: Distortions to the passage of time for annual events: Exploring why Christmas and Ramadan feel like they come around more quickly each year. Plos one, 19/7, 2024, e0304660
Christopher Boyle, Kathy McKay: A wonderful lie. The Lancet Psychiatry, 3/12, 2016, 1110
University of Montreal: „Why Do We Believe in Santa?“ ScienceDaily, 2008
North Carolina State University: „Santa’s sleigh: Researcher explains science of Christmas magic“. ScienceDaily, 2009
University of Exeter: „Mysteries of Father Christmas/Santa Claus ‚solved‘ by relativity theory“. ScienceDaily, 2016