„Als Z. auf ihre Eltern trifft, spannt ihr Vater seinen Regenschirm auf wie einen Schutzschild, er benutzt den Schirm anstelle eines Gehstocks, er ist eitel, aber das Alter, vermutet Z., wird ihm diese Eitelkeit noch ausreden. Ihre Mutter packt den Hund und nimmt ihn hoch, bevor er mit dem Schwanz wedeln, auf Z. zulaufen, irgendein Zeichen der Zuneigung geben könnte. Wie warm sich das Fell des Hundes anfühlen muss. Zottig. Filzig, vielleicht tröstlich. Beide verbergen ihre Augen hinter exklusiven Sonnenbrillen, der Spiegel ihrer elterlichen Augen ist schwarz.
Z. ihrerseits trägt keine Sonnenbrille, sie ist auch auf dem Sprung, an ihrem Hemd fehlen zwei Knöpfe, sie hat einen Sonnenbrand auf den Wangen und der Akku ihres Handys ist leer. Es ist sehr heiß. Das Haus am Ende der Wiese sieht verlassen aus, es sieht so aus, als stünde nichts darin, kein Stuhl, kein Tisch, geschweige denn Betten mit kühlen Laken darauf, und seine Konturen flimmern in der Hitze, als wäre es eine Fata Morgana.
Z. braucht ein bisschen Geld. Sie braucht letztlich nur ein bisschen Schlaf. Auf jeden Fall braucht sie Abstand. Aber hier kann man nicht bleiben, mit diesen Leuten ist nicht zu spaßen. Abgründe. Ihre Mutter hat ihr offenbar eine Frage gestellt, sicherlich die Frage nach der Erwartung. Was können wir für dich tun, Liebes? Was erwartest du von uns? Z. erwartet gar nichts. Fakt ist, dass man mit der Erwartung in jeglicher Hinsicht schneller am Ende ist, als Eltern sich das vorstellen können.
Was könnte Ihre Bildbeschreibung mit Ihnen persönlich zu tun haben?
Diese Leute auf dem Bild sind eher in meinem Alter als im Alter meiner Eltern. Dennoch bin ich ein Kind, wenn ich sie ansehe, etwas an dem Blick, den sie auf den Betrachter richten, erinnert mich an Eltern an und für sich. Mein Kind ist erwachsen, meine Eltern sind alt. Ich stehe genau zwischen ihnen – für mein Kind als ein Mensch mit einer Lebensgeschichte noch nicht richtig sichtbar, für meine Eltern immer ein Kind. Mich beschäftigt das oft, es ist ein Lebensabschnitt der Einsichten und Erkenntnisse."
Judith Hermann hatte ihr literarisches Debüt 1998 mit Sommerhaus, später. Seither schreibt sie Erzählungen und Romane (Aller Liebe Anfang, Daheim). 2023 erschien der biografische Essayband Wir hätten uns alles gesagt. Ein großes Interview mit Judith Hermann finden Sie in Heft 9/2021.