„Da wäre eigentlich viel Fenster, viel Ausblick auf einen gar nicht so verhangenen Himmel. Und immerhin haben es die beiden Gestalten bis zum Fenster geschafft. Man hat wieder eine Aussicht, neue Möglichkeiten kündigen sich an. Sollen sie ergriffen werden? Unentschlossen stehen die beiden Menschen am Fenster, wohl bedacht, nicht gesehen zu werden.
Die farbig gekleidete Frau ist dafür, ins Fenster zu treten, Kontakt mit der Welt draußen aufzunehmen, sich Gedanken zu machen, wohin die beiden aufbrechen könnten. Der dunkel gekleidete Mann zögert. Die beiden sprechen zwar miteinander, allerdings mehr aneinander vorbei. Sie sehen einander nicht an, sie sehen in die Ferne – und sehen offenbar Verschiedenes, und beide sind verhalten aggressiv. Auf die Welt zugehen oder nicht? Verborgen bleiben oder Möglichkeiten ergreifen? Die Blöcke sehen nicht einladend aus. Die farbig gekleidete Frau sieht weiter in die Ferne - und ärgert sich, dass der dunkel gekleidete Mann so unentschlossen ist.“
Was könnte Ihre Bildbeschreibung mit Ihnen persönlich zu tun haben?
„Diese Geschichte bildet meine innere Spannung ab in Zeiten der hoffentlich sich beruhigenden Covidpandemie. Da ist die Sehnsucht, das Leben wieder zu öffnen, sich gute Fantasien, vielleicht sogar Vorfreude auf die Zukunft zu erlauben. Doch da ist auch die Unsicherheit, die Hemmung dieser Wünsche und die Überzeugung, sich weiter schützen zu müssen. Die beiden Abgebildeten sprechen zwar über das Problem, konfrontieren sich aber nicht wirklich mit den einander widersprechenden Wünschen. Und die beiden klammern aus, dass keiner von ihnen wirklich entschlossen genug ist, wieder richtig zuversichtlich in die Zukunft zu schauen.“
Verena Kast war Professorin für Psychologie an der Universität Zürich. Sie ist Ausbilderin am C.-G.-Jung-Institut Zürich. Mitte Februar erscheint bei Patmos ihr neues Buch Vertrauen braucht Mut. Was Zusammenhalt gibt.