„Zwei Schwestern versuchen seit Stunden, ihren betagten Vater, der trotz des hohen Alters noch immer allein in der badischen Heimatstadt seinen eigenen Haushalt führt, telefonisch zu erreichen.
Die beiden hatten sich vor Jahren gemeinsam entschieden, die kleine Universitätsstadt, in der sie Kindheit und Jugend verbrachten, zu verlassen und zum Studium in die hunderte Kilometer entfernte Hauptstadt zu ziehen. Vater wollten sie nach Mutters Tod vor zehn Jahren zu sich holen, aber dieser wollte die vertraute Umgebung partout nicht verlassen. In letzter Zeit häufte es sich, dass er das Klingeln des Telefons nicht bemerkte, da er gerne mal die Hörgeräte weglässt oder auch nach einem Telefonat den Hörer nicht wieder richtig auflegt.
Auch nun plagt die beiden Schwestern wieder mal die Ungewissheit, ob nicht doch etwas vorgefallen sein könnte, denn normalerweise ist Vater zu dieser Uhrzeit immer zu Hause. Sie versuchen, jemanden von den wenigen verbliebenen Nachbarn zu erreichen, die sie noch aus ihrer Jugendzeit kennen. Rita, die ältere der beiden Schwestern, schon immer auch die pragmatischere, übernimmt diese Aufgabe, während Marlies aus dem Fenster ins Leere starrt, geplagt von möglichen Schreckensszenarien und dem schlechten Gewissen, Vater allzu selten besucht zu haben. Die Minuten fühlen sich für sie wie Stunden an, die Zeit liegt bleiern auf den Schultern.
Wann wird Gewissheit einkehren, dass mal wieder das Radio zu laut lief und das Klingeln des Telefons ungehört blieb? Oder ist doch etwas Ernsteres passiert?“
Was könnte Ihre Bildbeschreibung mit Ihnen persönlich zu tun haben?
„In der Mitte des Lebens angekommen, fällt mir unverkennbar auf, dass ich jetzt vermehrt dazu neige, sowohl für die Älteren als auch für die Jüngeren sorgen zu wollen – manchmal auch etwas zu sehr.“
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Alexander Veljanov ist Sänger und Songschreiber. Mit dem Pianisten und Dirigenten Ernst Horn bildet er seit gut 35 Jahren das Avantgarde-Pop-Duo Deine Lakaien. Ihr neues Studio-Doppelalbum Dual erscheint dieser Tage.