Einsamkeit – Verbundenheit – Liebe. Zwischen diesen drei Polen bewegen sich Menschen, mit unterschiedlichen Erfahrungen. Unter Einsamkeit leiden, wie Studien zeigen, Vertreter aller Altersgruppen, am meisten aber Ältere – und junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren. Besonders belastend ist Einsamkeit bis in dieses Jahr hinein für viele durch die Kontaktbeschränkungen geworden, die der Kampf gegen das Coronavirus ausgelöst hat.
Insofern antworten die drei Bücher von Diane Poole Heller, Christine Brähler und dem Autorenpaar Röser zum Thema Einsamkeit und Verbundenheit auf einen akuten Notstand. Sie bieten Unterstützung bei dem Versuch, Beziehungen angstfreier und nährender zu gestalten – unter verschiedenen Gesichtspunkten: Tief verbunden von Diane Poole Heller konzentriert sich auf verschiedene Bindungstypen, Christine Brähler zeigt Neue Wege aus der Einsamkeit und das Autorenduo Barbara und Udo Röser widmet sich dem „verletzten inneren Kind und der Liebe“.
Gemeinsam ist den Büchern die elementare Einsicht, dass Einsamkeit und Verbundenheit kaum etwas mit der bloßen Anzahl von Kontakten zu tun haben, sondern mit deren Qualität. Und dass es, um der Einsamkeit zu entkommen, zuerst und vor allem der Begegnung mit sich selbst bedarf. Dabei richten sich die Bücher von Röser & Röser und Diane Poole Heller vor allem an Leserinnen und Leser, die sich nach gelingender Partnerschaft sehnen, während Christine Brähler ein breites Spektrum möglicher Beziehungen in den Blick nimmt.
Ein mühsamer Weg
Deutlich wird in allen drei Büchern auch, dass es ein mühsamer Weg ist, die vertrauten Muster der Beziehungsgestaltung zu durchschauen und zu verändern, weil vieles von dem, was in unseren erwachsenen Beziehungen zu geschehen scheint, direkt aus der Geschichte unserer frühen Bindungen stammt, wie Diane Poole Heller zu Beginn ihres Buches pointiert formuliert. Diese frühen Erfahrungen haben sich in uns eingeschrieben, unterschiedliche Bindungstypen erzeugt, die prägend sind für die innere und äußere Dynamik, mit der wir unsere Beziehungen gestalten.Wenn wir unser Bindungsverhalten verstehen und verändern wollen, gilt es zu begreifen, so Heller, in welchen Verhaltensweisen sich die unterschiedlichen Bindungsstile in uns niedergeschlagen haben. Denn die Übergänge sind oft fließend – verschiedene Personen können je unterschiedliche Bindungsmuster in uns wachrufen. In einem zweiten Schritt geht es dann darum, die dysfunktionalen Muster aktiv zu korrigieren, in vielen kleinen Schritten quasi zu deaktivieren.
Für diesen Prozess bietet die Expertin für Traumatherapie und Bindungsstörung – eine Schülerin des Traumaexperten Peter Levine – kundige und ermutigende Unterstützung. Zum einen durch die anschauliche, weder beschönigende noch verurteilende Charakterisierung der verschiedenen Bindungstypen. Zum anderen durch die den Text grundierende Überzeugung, dass wir alle ein sicheres ursprüngliches Bindungsverhalten in uns tragen, denn „…wir können den Zugang zur sicheren Bindung verlieren, nie aber die uns innewohnende Fähigkeit, sie wiederzufinden“.
Der innere Teufelskreis
Auch Christine Brähler geht davon aus, dass jeder Mensch die Fähigkeit in sich trägt, Fürsorge sowohl zu geben wie zu empfangen – und damit die Voraussetzung, der Einsamkeit zu entkommen.
Die Psychotherapeutin betont die wissenschaftliche Basis ihrer Ausführungen, die zahlreiche Verweise auf Studien und Forschungsergebnisse enthalten. Inspirierend und hilfreich ist das Buch vor allem durch den reichen Erfahrungsschatz Brählers. In den Fallgeschichten von drei Beispielfiguren, ergänzt durch eine Vielzahl von Übungen, wird die Zielgruppe ihres Buches – Menschen, die ein innerer Teufelskreis von Ängsten, Scham, Selbstabwertung in ihrer Einsamkeit gefangen hält – vielfältige Anregungen finden, die eigene Einsamkeit zu begreifen und ihr mit konstruktiven Veränderungen zu begegnen.
Befremdlich ist jedoch, dass Brähler resolut einen angeborenen Instinkt verkündet, der den Menschen auf die eigene Gruppe verpflichte und Fremden von Natur aus – wie zwangsläufig – mit Ablehnung bis hin zu Aggression begegnen lasse. Dabei ist die Dynamik zwischen dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit und dem Kontakt zu Fremden vielschichtiger, wie etwa Rutger Bregman in seinem Buch Im Grunde gut zeigt (siehe auch das Interview in Heft 7/2020).
Begegnungen mit sich selbst
Wer sich der Einsamkeit stellt, begegnet zuerst einmal sich selbst – und dort in aller Regel einem inneren Kind, dessen Selbstliebe und Selbstwert verletzt worden sind. Verbindung aufzunehmen zu diesem verletzten inneren Kind ist bei Barbara und Udo Röser der Ausgangspunkt zur Heilung: weil wir desto „zuverlässiger“ an diese frühen Verwundungen rühren, je näher und tiefer eine Beziehung ist – vor allem, wenn es Konflikte gibt, so die Erfahrung der beiden Paar- und Sexualtherapeuten. Dann werden, meist ohne dass die Beteiligten es merken, die vertrauten Muster aktiviert: Während sich zwei erwachsene Menschen streiten, führen zwei verletzte, wütende oder verzweifelte Kinder die Regie.
Eine der wesentlichen Voraussetzungen, um sich aus dieser Verstrickung zu befreien, ist, Selbstregulation zu lernen, die zur Erfahrung von Selbstwirksamkeit führt. Das Buch punktet durch anschauliche Erklärungen dieser und anderer Begriffe sowie die dramaturgisch geschickte Verbindung von Fallbeispielen mit mythologischen Konstellationen – wie etwa in der Geschichte von Narziss und Echo.
Rösers abschließende Überlegungen zu Versöhnung und Würde schließlich werfen die Frage auf, inwieweit das kollektive Zulassen und Erleben von Scham – etwa über historische Schuld und die Zerstörung des Planeten – Ausgangspunkt sein könnte für jene achtsame Lebensweise, derer es so dringend bedarf. Aber das ist, mit Fontane gesprochen, ein weites Feld.
Diane Poole Heller: Tief verbunden. Wie wir alte Bindungsmuster auflösen und dauerhafte Partnerschaften eingehen. Aus dem Amerikanischen von Gabriel Stein. Kösel, München 2020, 271 S., € 20,–
Christine Brähler: Neue Wege aus der Einsamkeit. Mit Selbstmitgefühl zu mehr Verbundenheit finden. Irisiana, München 2020, 223 S., € 18,–
Barbara Röser, Udo Röser: Das verletzte innere Kind und die Liebe. Wie tiefe Vertrautheit in Partnerschaften gelingt. Patmos, Ostfildern 2020, 199 S., € 18,–