Schreien, ignorieren, bloßstellen, kränkende Bemerkungen machen, also verbale und aggressive Übergriffe, solches Führungsverhalten fassen Forscherinnen und Forscher unter dem Begriff abusive supervision zusammen. Wie geht es Führungskräften damit, die ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schon einmal schlecht behandelt haben und was löst es in ihnen selbst aus? Dies ermittelten Forschende in drei Studien und sie fanden heraus: Es hängt davon ab, wer aus Sicht der Managerinnen und Manger für die Übergriffe verantwortlich war, also die untergebene Person oder die Führungskraft elbst. Entscheidend war zudem, ob sie sich selbst und anderen zutrauten, sich zu verändern. Vorgesetzten, die sich selbst bezichtigten, ging es im Anschluss erheblich schlechter damit.
Die Forschenden legten den Führungskräften, insgesamt mehrere Hundert, Beschreibungen von destruktivem Führungsverhalten vor und ließen sie einschätzen, ob und wie häufig sie dieses oder sehr ähnliches Verhalten selbst einmal gezeigt hatten. In einer der Studien fragten sie einen Teil der Managerinnen und Manager 10 Arbeitstage lang täglich per Smartphone, wie sie sich an dem Tag verhalten hatten. Alle wurden auch gebeten zu berichten, welche Emotionen und Gedanken das eigene Verhalten ausgelöst hatte und wen sie dafür verantwortlich machten, die untergebenen Personen oder sich selbst. Weiterhin erfassten die Forschenden das growth mindset: Es drückt aus, ob Menschen sich und andere für in der Lage halten, sich weiterzuentwickeln und zu verändern – oder eben nicht.
Kann ich mich ändern?
Die Ergebnisse: Führungskräfte, die das übergriffige Verhalten sich selbst zuschrieben, erlebten im Anschluss daran deutlich häufiger Schuld- und Schamgefühle. Bei einigen der Befragten löste ihr destruktives Verhalten jedoch auch gute Gefühle aus. Befragte, die kein Vertrauen in die Veränderungsfähigkeit von Menschen hatten, fanden ihr eigenes Verhalten noch deutlich belastender.
Das Phänomen abusive supervision wird seit längerem untersucht, richtig Fahrt aufgenommen hat die Forschung aber erst vor rund drei Jahren. Laut Studien in den USA gaben mehr als zwei Drittel der Befragten an, ihr Vorgesetzter oder ihre Vorgesetzte seien der „schlimmste Teil ihres Jobs“. Die Unternehmensberatung Gallup berichtet in ihrem State of the Global Workplace, dass Erwerbstätige in Europa im weltweiten Vergleich mit ihren Vorgesetzten am unzufriedensten seien.
Winny Shen u. a.: Exploring the relationship between leaders` appraisals or attributions of their use of abusive supervision and emotional reactions. Applied Psychology, 2022. DOI: 10.1111/apps.12394
Ivonne Gallegos u. a.: Abusive Supervision: A systematic review and new research approaches. Frontiers in Communication, 2022. DOI: 10.3389/fcomm.2021.640908