Welchen Einfluss hat unsere Persönlichkeit auf Arbeit und Liebe?

Unsere Persönlichkeit verändert sich beim Eintritt ins Berufsleben und beim Übergang in die Rente. Inwiefern, erklärt Eva Asselmann im Interview.

Die Illustration zeigt die Professorin für differentielle und Persönlichkeitspsychologie an der HMU in Potdam, Eva Asselmann
Professorin für differentielle und Persönlichkeitspsychologie, Eva Asselmann © Jan Rieckhoff für Psychologie Heute

Frau Asselmann, verändert sich unsere Persönlichkeit mit dem Eintritt ins Berufsleben – und mit dem Übergang in die Rente?

Ja. Wir konnten zeigen, dass junge Erwachsene in den Jahren nach dem Berufseinstieg merklich gewissenhafter, extravertierter und verträglicher wurden. In den Jahren nach dem Renteneinstieg nahm die Gewissenhaftigkeit wiederum ab. Wir reifen also, wenn wir ins Berufsleben eintreten, und werden gelassener, wenn wir in Rente gehen.

Das hängt vermutlich mit den Anforderungen zusammen, die der Job an uns stellt: Bei der Arbeit müssen wir zuverlässig und pünktlich sein, andere überzeugen und uns professionell verhalten. Das könnte erklären, warum es nach dem Berufseintritt zu einer Persönlichkeitsreifung kommt. Wenn wir in Rente gehen, fallen diese Anforderungen weg. Es bleibt mehr Raum, um einen Gang runterzuschalten und die Vorzüge des Lebens zu genießen – der sogenannte „La-Dolce-Vita-Effekt“ tritt ein.

In einer Studie haben Sie die Persönlichkeit von Berufstätigen ohne Führungsposition mit der von zukünftigen Führungskräften verglichen. Welche Ergebnisse kamen dabei heraus?

Die zukünftigen Führungskräfte unter­schieden sich deutlich von Berufstätigen, die später keine Führungsposition übernahmen. Schon in den Jahren vor dem Sprung in die Chefetage waren sie extravertierter, offener, emotional stabiler, gewissenhafter und eher bereit, Risiken einzugehen. Außerdem glaubten sie stärker daran, das eigene Leben beeinflussen zu können, und schenkten anderen mehr Vertrauen. Zukünftige Führungskräfte zeichneten sich also bereits vor ihrer Beförderung durch Merkmale aus, die mit Erfolg zusammenhängen.

Anders ausgedrückt: Mit der passenden Persönlichkeit war der Wechsel in die Chefetage wahrscheinlicher. Insgesamt veranschaulichen die Ergebnisse: Führungspersönlichkeiten werden nicht als solche geboren, sondern wachsen Stück für Stück in ihre neue Rolle hinein – und zwar schon lange bevor sie diese überhaupt antreten. Diesen Veränderungsprozess bewusst mitzugestalten kann hilfreich sein – etwa in der Personalentwicklung oder bei Personen, die gezielt auf eine Führungsposition hinarbeiten.

Sie haben neben den Effekten der Ar­beit auch untersucht, welchen Einfluss ­Beziehungsereignisse wie etwa eine Trennung auf unser individuelles Wohlbefinden haben. Warum leiden Menschen, wenn eine Beziehung zu Ende ist, „allenfalls kurzfristig“, wie Sie in Ihrem Buch schreiben?

In der Psychologie gibt es die sogenannte Set-Point-Theorie. Diese geht davon aus, dass alle Menschen einen individuellen „Sollwert“ im Wohlbefinden haben: Positive und negative Ereignisse können zwar bewirken, dass wir uns kurzfristig besser oder schlechter fühlen. Langfristig aber kehren wir wieder zu unserem gewohnten Glückslevel zurück.

In unseren Studien zeigte sich, dass die Theorie nicht nur auf Trennungen, sondern auch andere schwerwiegende Verlusterfahrungen zutraf, etwa den Tod eines nahen Angehörigen: Kurz nach dem Verlust brach das Wohlbefinden der Trauernden dramatisch ein. Fünf Jahre später aber war es wieder ähnlich hoch wie fünf Jahre vor dem Ereignis – eine beeindruckende Anpassungsleistung!

Auch positive Ereignisse wie Märchenhochzeiten oder Lottogewinne katapultieren unser Lebensglück langfristig nicht in ungeahnte Höhen – die Effekte verpuffen erstaunlich schnell. Anstatt dem „großen Glück“ hinterherzurennen, scheint es viel wichtiger zu sein, kontinuierlich im Alltag am eigenen Wohlbefinden zu arbeiten.

Eva Asselmann ist Professorin für differentielle und Persönlichkeitspsychologie an der HMU Health and Medical University in Potsdam.

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 12/2022: Lieber unperfekt
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