In nahezu allen Lebensbereichen sind wir mit der Anforderung konfrontiert, immer neu nach Mitteln und Wegen zu suchen, um effizienter zu werden. Um in einer rasch rotierenden Umwelt mithalten zu können oder die Nase vorn zu haben, gilt es, Ziele und Mittel genau abzuwägen. Dazu gehört, sich zu fokussieren, organisiert zu arbeiten und zu leben, Ablenkung abzutrainieren.
Digitale Technologien sollen uns helfen, Arbeit, Freizeit und Gesundheit zu optimieren. Auch „die beste Version seiner selbst“ zu werden, so einer der smarten Slogans der Selbstoptimierung, gelingt demnach durch stete Effizienzsteigerung. Aber auch ohne besondere Ambition prägt uns das stete Wissen darum, dass es notwendig ist, mit abgewogenem Input bestmögliche Ergebnisse herauszuholen.
Doch funktioniert das tatsächlich? Und um welchen Preis? So malte bereits der Soziologe Max Weber Anfang des 20. Jahrhunderts die psychischen Folgen einer „methodisch kontrollierten Lebensführung“ aus, wenn sie sich verselbständigt und dann „Fachmenschen ohne Geist, Genußmenschen ohne Herz“ hervorbringt. Effizienzsteigerung ist nicht nur funktional, sondern geht potenziell mit Kosten einher, wenn Akteure ihre ganze Person dafür einsetzen. Dabei hält das Bemühen, alles im Griff zu haben auf dem Weg zu Höherem, durchaus narzisstische Gratifikationen bereit.
Selbsttäuschung & Beziehungsarmut
Das äußere Zwangsmoment – „Du musst immer besser werden, effizient sein, andernfalls drohen dir Niederlage, Verlust oder Ausschluss“ – kann in bejahenden bis hin zu begeisterten Selbstdisziplinierungen aufgehen. Es kann in eine psychische Anpassung an das Geforderte münden, die die Spuren der Unterwerfung oder Ohnmacht nur noch in Selbsttäuschungen oder in Beziehungsarmut in Erscheinung treten lässt.
Auch in Partnerschaften, Freundschaften und Familien sind Optimierungs- und Effizienzansprüche wirksam – mit typischen Paradoxien. So versuchen etwa viele Eltern, bestmögliche Voraussetzungen für das Heranwachsen ihrer Kinder zu schaffen.
Zugleich geraten sie fast unvermeidlich in widersprüchliche Logiken von Fürsorge und Effizienz, von elterlichen Idealen und praktischer Zeitnot, die wiederum kontraproduktive Nebenfolgen haben können, sind doch auf körperliche und emotionale Bedürftigkeit ausgerichtete Beziehungen nicht beliebig steuerbar. Leibbasierte Wachstums- und Reifungsprozesse lassen sich nicht beschleunigen. Bedürfnisse von Kindern, auch von Kranken oder Pflegebedürftigen widersetzen sich der kalkulierten Planung.
Sorge und Selbstsorge, Bildung oder psychische Entwicklungs- und Verarbeitungsprozesse sind kaum unbeschadet in einem instrumentellen Sinne steuerbar. Indes sind auch solche Bereiche dem Optimierungsdruck ausgesetzt, die dadurch abrupt zerstört oder schleichend unterminiert werden können. Zuwendung pervertiert, wenn sie schlicht als Investition erlebt wird. Sie basiert – wie jeglicher produktive und kreative Prozess – auch auf Sich-Zeit-Nehmen, auf Muße, Raum für den emotionalen Austausch, auf einer Gabe von Zeit jenseits der Effizienzlogik.
Vera King ist Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts sowie Professorin für Soziologie und psychoanalytische Sozialpsychologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.