Ärger ist ein Zeichen für Unschuld

Eine Forschergruppe beschreibt, wie sie herausfanden, dass ärgerliche Reaktionen von Personen auf Vorwürfe für ihre Unschuld sprechen.

Getroffene Hunde bellen, sagt ein Sprichwort. Gemeint ist, dass wir heftig auf eine Anschuldigung reagieren, weil sie stimmt oder einen wahren Kern hat. Aber in mehreren Studien zeigte sich nun: Eher ist es wohl so, dass wir besonders aufgebracht auf Vorwürfe reagieren, an denen nichts dran ist.

Vier Psychologinnen befragten für die Untersuchung mehrere tausend Personen. Zum einen konfrontierten sie die Befragten in Videos und Szenarien mit Situationen, in denen Personen verschiedener Vergehen beschuldigt wurden, und ließen sie deren Reaktion einschätzen.

Andere Teilnehmende beschäftigten sich mit einer fiktiven Beziehungssituation, in der ein Partner seine Partnerin beschuldigte, fremdgegangen zu sein, oder eine Vorgesetzte in einem Supermarkt einen Mitarbeiter verdächtigte, Geld aus der Kasse geklaut zu haben. In zwei Studien forderten die Forscherinnen die Befragten auf, sich an zutreffende oder falsche Anschuldigungen in ihrem Leben zu erinnern, und wollten wissen, wie sie darauf jeweils reagiert hatten.

Wie die Autorinnen betonen, sei Ärger – anders als viele denken – ein klarer Hinweis darauf, dass ein Vorwurf oder eine Beschuldigung ungerechtfertigt ist. Die Wissenschaftlerinnen erklären die Tatsache, dass viele Menschen indes glauben, wer sich aufrege sei schuldig, damit, dass es generell wenig körperliche Hinweise im Verhalten eines Menschen darauf gibt, ob er schwindelt oder nicht. Mangels anderer Anzeichen bietet sich Empörung also geradezu an, jemanden zu verdächtigen. 

Literatur

Katherine A. DeCelles u.a.: Anger damns the innocent. Psychological Science, 2021. DOI: 10.1177/0956797621994770

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 1/2022: Stille Aufträge
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