Das eigene Leben so annehmen zu können, wie es ist – wer wünscht sich das nicht? Es wird leichter zu leben, wenn uns das gelingt – das zumindest verspricht der Konstanzer Psychotherapeut Andreas Knuf in seinem Ratgeber Widerstand zwecklos.
Mit Verve wendet sich der Autor darin gegen die sich zunehmend verbreitenden Selbstoptimierungsprogramme. An uns selbst zu arbeiten halte uns zwar aktiv und vermittle den Eindruck, das eigene Leben zu gestalten, meint Knuf. Doch es sei nicht der richtige Weg, um zu Zufriedenheit und Erfüllung zu gelangen.Was Knuf stattdessen vermitteln will, ist eine Haltung von Akzeptanz. Tun wir uns doch alle schwer – die einen mehr, die anderen weniger –, die Gegebenheiten in unserem Leben so anzunehmen, wie sie nun mal sind.
Anschaulich entfaltet der Autor, woran das liegt und warum es wichtig ist, eine annehmende Haltung zu lernen. Es geht darum, in jedem einzelnen Moment alle Erfahrungen und Empfindungen wahrzunehmen und zu akzeptieren, ohne sie zu bewerten. Das klingt schlicht – ist aber eine gewaltige Herausforderung. Wehren wir uns doch meist spontan gegen unliebsame Regungen und Erlebnisse – und verstärken genau dadurch ihre Wirkung.
Ein gesundes Maß an widrigen Erfahrungen
Anhand von Beispielen und Übungen führt Andreas Knuf seine Leser in die Praxis des Annehmens ein – im Hier und Jetzt ebenso wie in der Konfrontation mit den Spuren zurückliegender Verletzungen und Traumata. Er zeigt, dass und warum die verdüsternde oder blockierende Wirkung, die manche Erlebnisse haben, oft selbsterzeugt ist. Und er weist kühn darauf hin, dass wir für ein „gesundes Maß“ an widrigen Erfahrungen dankbar sein können, weil wir so kontinuierlich aufgerufen sind, Akzeptanz zu üben.
Mit der Formel „Leid = Schmerz plus Widerstand“ erklärt Knuf, wie das sogenannte „Vermeidungsleid“, das beim Kampf gegen Schmerz entsteht, uns oft zusätzlich an schmerzhafte Erfahrungen bindet. Das leuchtet ein. Aber wie ist dann das Postulat „Leid gehört zum Leben dazu. Es gibt kein Leben ohne Leid“ zu verstehen?Wenn dieser Satz gilt – und er ist eine der acht von Knuf postulierten Lebensregeln –, hebelt er die frohgemute Botschaft aus. Denn dann wären wir lebenslang an unseren Widerstand gekettet, was dem Gestus des Buches zuwiderläuft.
Vermutlich hat sich hier einfach eine begriffliche Ungenauigkeit („Leid“ statt „Schmerz“?) eingeschlichen. Da dies jedoch ein zentraler Punkt ist, schmälert sie die Autorität dieses ansonsten zu weiten Teilen sympathischen Textes: Knuf möchte, dass der Weg, den er präsentiert, leicht erscheint. Zwar räumt er ein, dass es mühsam sein kann und Geduld braucht, wirkliche Akzeptanz zu leben – lässt sich aber zugleich zu Behauptungen hinreißen wie: „Wir müssen eigentlich nur die Hindernisse beiseite räumen (…). Letztlich ist es ganz einfach.“
Doch „ganz einfach“ ist die Praxis des Annehmens eben nicht. Konsequente Akzeptanz wird uns auch in die Dunkelkammern unserer Geschichte und Persönlichkeit führen. Die Lebendigkeit und Fülle eines von Akzeptanz durchdrungenen und getragenen Lebens ist freilich jede Mühe wert – insofern weist Andreas Knuf einen wichtigen Weg.
Gabriele Michel
Andreas Knuf: Widerstand zwecklos. Wie unser Leben leichter wird, wenn wir es annehmen, wie es ist. Kösel, München 2018, 189 S., € 16,–