Persönlichkeitsstörung

Ein dauerhaft merklich abweichendes Erleben und Verhalten von der Norm im jeweiligen Kulturkreis sind zentrales Merkmal von Persönlichkeitsstörungen.

Die Illustration zeigt einen Mann, dessen Kopf in der Mitte graphisch getrennt und versetzt wieder zusammengefügt wurde.
10 bis 15 Prozent der Bevölkerung erfüllen die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung mit problematischen Mustern im Denken, Erleben und Verhalten. © Evgeniy Shvets/Stocksy
Inhalt

Definition: Was sind Persönlichkeitsstörungen?

Unter Persönlichkeitsstörungen versteht man tiefgreifend problematische Muster im Denken, Erleben und Verhalten, die meist schon in der Jugend beginnen. Diese Muster sind stabil, was zu erheblichen Schwierigkeiten im privaten und beruflichen Bereich führen kann. Die Probleme, die Betroffene im Umgang mit anderen Menschen haben, werden von außen oft weniger als Krankheit, sondern eher als Charakterschwäche wahrgenommen. Betroffene leiden zwar in der Regel unter der Persönlichkeitsstörung, erleben die typischen Arten zu denken, zu fühlen und zu handeln aber oft als „ich-synton“, das heißt als zu sich gehörig und nicht als fremd oder krankhaft. Die Probleme treten dauerhaft in vielen Bereichen des Lebens auf und sind nicht auf einzelne Krankheitsepisoden beschränkt.

Wie viele Menschen haben eine Persönlichkeitsstörung?

Epidemiologische Studien haben ergeben, dass 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung erfüllen. Damit sind Persönlichkeitsstörungen verbreiteter als Volkskrankheiten wie Depressionen oder Diabetes.

Was sind die Symptome einer Persönlichkeitsstörung?

Es gibt verschiedene Arten und Ausprägungen von Persönlichkeitsstörungen, jede mit ihren eigenen charakteristischen Symptomen – von kaum kontrollierbaren Impulsen über sozialen Rückzug bis Paranoia (siehe auch „Persönlichkeitsstörungen nach DSM-5“). Die Symptome umfassen ungünstige Denkmuster und problematische Verhaltensweisen sowie eine Gefühlswelt, die stark von der Norm abweicht. Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung haben vor allem Probleme, enge Bindungen einzugehen oder aufrechtzuerhalten. Sie können misstrauisch, distanziert, manipulativ oder übermäßig abhängig von anderen sein.

Ursachen und Entstehung einer Persönlichkeitsstörung

Bei der Entstehung einer Persönlichkeitsstörung kommen biologische, psychologische und soziale Faktoren zusammen. Sowohl die Gene als auch Erfahrungen in den frühen Lebensjahren spielen eine Rolle. Wahrscheinlich entstehen Persönlichkeitsstörungen durch eine komplexe Wechselwirkung mehrerer Faktoren. Aktuell gibt es verschiedene Erklärungsmodelle, die diese Faktoren unterschiedlich gewichten.

Übersicht: Fünf Modelle zur Entstehung einer Persönlichkeitsstörung

Um zu erklären, wie Persönlichkeitsstörungen entstehen, sind oder waren einige Modelle besonders einflussreich. Der US-amerikanische Psychiater John Gunderson und die US-amerikanische Psychiaterin Katharine Phillips nennen in einem Überblick diese fünf:

Das psychodynamische Modell

Das psychodynamische Modell erkennt an, dass die Persönlichkeit eines Menschen durch biologische Faktoren mitgeprägt wird. Anhängerinnen und Anhänger dieses Modells betonen aber den Stellenwert der Lebensgeschichte für die Entwicklung der Persönlichkeit und die Entstehung von Persönlichkeitsstörungen. Sie gehen davon aus, dass vor allem frühe belastende Erlebnisse oder dauerhaft schwierige Lebensbedingungen in Kindheit und Jugend den Charakter in Richtung einer Persönlichkeitsstörung formen können.

Das Circumplexmodell

Circumplexmodelle sollen nicht erklären, wie die verschiedenen Persönlichkeitsstörungen entstehen, sondern sie in eine übersichtliche Ordnung bringen. Dabei rücken sie das Sozialverhalten, also die Eigenarten einer Person bei der Interaktion mit anderen, in den Mittelpunkt. Diese Modelle sollen möglichst alle Persönlichkeitszüge erfassen, von normal bis pathologisch. Auf einem Kreis werden dafür verschiedene Persönlichkeitstypen dargestellt. Gegensätzliche Persönlichkeitseigenschaften liegen sich auf dem Kreis gegenüber. Das Circumplex-Modell von Leonard Horowitz unterscheidet zum Beispiel zwischen den Polen „konkurrierend/zu streitsüchtig“ und „nachgiebig/zu ausnutzbar“, die in ihrer Extremform den Kern der paranoiden und der abhängigen Persönlichkeit widerspiegeln sollen.

Das soziologische Modell

Das soziologische Modell basiert auf der Idee, dass die gesellschaftlichen Bedingungen die Persönlichkeit maßgeblich formen. Die Lebensverhältnisse und das soziale Miteinander tragen demnach stark zur Entstehung von Gesundheit oder Krankheit bei. Normales Verhalten wird hier definiert als solches, das der Gesellschaft keine Nachteile bringt, als pathologisch gilt ein Verhalten dann, wenn es von der sozialen Norm abweicht und der Gemeinschaft schadet.

Das biologische Modell

Nach dem biologischen Modell sind die genetische Veranlagung und neurobiologische Faktoren wie Besonderheiten in der Hirnfunktion für die Entstehung der Persönlichkeit und ihrer Störungen verantwortlich. Lebensbedingungen und Erfahrungen schreibt dieses Modell höchstens eine untergeordnete Rolle zu.

Das (integrative) biopsychosoziale Modell

Dieses Modell, das heute sehr verbreitet ist, geht davon aus, dass biologische, psychologische und soziale Faktoren bei der Entstehung psychischer Störungen wie Zahnräder ineinandergreifen. Die Annahme: Jeder Mensch bringt eine genetisch bedingte Anfälligkeit für eine bestimmte psychische Störung – etwa eine spezifische Persönlichkeitsstörung. Erlebt jemand nun psychische und soziale Belastungen, kann die Erkrankung, für die eine hohe Anfälligkeit besteht, ausbrechen.

Biologische Faktoren

Die Gene spielen nachgewiesenermaßen eine wichtige Rolle bei der Frage, wer eine Persönlichkeitsstörung entwickelt und wer nicht. „Der Einfluss genetischer Faktoren beträgt etwa 40 bis 50 Prozent“, erklärt Professorin Sabine Herpertz, ärztliche Direktorin der Klinik für allgemeine Psychiatrie am Universitätsklinikum Heidelberg.

Zu diesem Schluss kam auch eine im Jahr 2021 erschienene Studie aus Schweden. Sie zeigte außerdem, dass Menschen mit einem eineiigen Zwilling mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung im Vergleich zu Menschen ohne erkrankte Verwandte ein 11,5-fach erhöhtes Risiko tragen, auch eine Borderline-Persönlichkeitsstörung zu entwickeln. Bei zweieiigen Zwillingen, die nicht genetisch identisch sind, und nur so viele Gene teilen wie normale Geschwister, war das Risiko 7,4-fach erhöht. Auch hormonelle Einflüsse im Mutterleib gehören zu den biologischen Faktoren, die die Persönlichkeit prägen. Das könnte ein Grund dafür sein, dass in der gleichen Studie das Borderline-Risiko für normale Geschwister von Betroffenen nur 4,7-fach erhöht war.

Die genetische Ausstattung eines Menschen beeinflusst auf verschiedene Arten seine Hirnfunktion und damit die Art, wie er die Welt wahrnimmt und handelt. So reagiert die Amygdala, ein Teil des limbischen Systems, von Menschen mit einer bestimmten Genvariante heftiger auf bedrohliche Reize. Das äußert sich in einer schlechteren Fähigkeit, die eigenen Gefühle zu kontrollieren, wie es etwa bei Patientinnen und Patienten mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung oder der narzisstischen Persönlichkeitsstörung der Fall ist.

Psychologische Faktoren

Allerdings lassen sich biologische und psychologische Einflüsse nicht ganz sauber voneinander trennen. Stress – insbesondere in Form von traumatischen zwischenmenschlichen Erfahrungen – kann neurobiologische Veränderungen auslösen. Das passiert vor allem dann, wenn er in einem jungen Alter auftritt, in dem sich das Gehirn noch entwickelt. Belastende Erlebnisse hinterlassen mitunter sogar Spuren im Erbgut. Nicht die DNA selbst wird dabei verändert, sondern ihre Aktivität: über Moleküle, die sich an einzelne Gene anheften und diese leichter oder schwerer auslesbar machen. Dieses Phänomen wird erst seit Kurzem erforscht – unter dem Stichwort „Epigenetik“.

„Negative Beziehungserfahrungen sind mindestens so wichtig bei der Entstehung von Persönlichkeitsstörungen wie die Gene“, sagt Sabine Herpertz. Traumatische Kindheitserlebnisse gelten als wichtige Risikofaktoren. Wer keine verlässlichen Bindungen kennengelernt hat, entwickelt später häufig Probleme im zwischenmenschlichen Bereich – ein zentrales Merkmal von Persönlichkeitsstörungen. Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung, der bisher am besten untersuchten Persönlichkeitsstörung, findet sich bei etwa der Hälfte aller Betroffenen sexueller Missbrauch in der Biografie. In einer im Jahr 2002 veröffentlichten systematischen Befragung unter Borderline-Patientinnen und Patienten berichteten mehr als 90 Prozent von Vernachlässigung in der Kindheit. Auch bei der antisozialen Persönlichkeitsstörung konnten Forschende körperliche Misshandlung und Vernachlässigung in der Kindheit als wichtige Risikofaktoren nachweisen. Für viele andere Persönlichkeitsstörungen fehlen noch belastbare Daten, um einen Zusammenhang empirisch zu belegen.

Soziale Faktoren

„Auch das Lernen am Modell spielt bei der Entstehung einer Persönlichkeitsstörung eine Rolle“, sagt Sabine Herpertz. „Wenn die Eltern oder andere Vorbilder extrem ängstlich sind, verinnerlichen manche Kinder, dass die Welt ein gefährlicher Ort ist, und übernehmen diese Tendenzen. Auch Impulsivität kann auf diese Weise gelernt werden.“ Also prägen auch kulturelle und gesellschaftliche Einflüsse die Persönlichkeit. „Wer zum Beispiel in einer kriminellen Nachbarschaft aufwächst, eignet sich eher rücksichtsloses Verhalten an, wie wir es etwa bei der antisozialen Persönlichkeitsstörung sehen“, sagt die Psychiaterin.

Diagnose einer Persönlichkeitsstörung

Eine Persönlichkeitsstörung muss von Fachleuten wie Psychologinnen oder Psychiatern diagnostiziert werden. Einen ersten Eindruck vermitteln Screening-Fragebögen. Eine Verdachtsdiagnose sollte aber immer durch eine vertiefte Diagnostik gesichert werden. Dazu braucht es intensive Gespräche, oft werden diagnostische Interviews eingesetzt, die auf den Kriterien anerkannter Diagnosekataloge basieren. Die wichtigsten Kataloge sind das US-amerikanische Diagnosemanual für psychische Störungen – das DSM – und die internationale Klassifikation der Krankheiten – die ICD. Beide unterscheiden sich bei der Diagnostik der Persönlichkeitsstörungen in einigen Punkten.

Persönlichkeitsstörung nach DSM-5

Für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung nach dem aktuellen Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen (DSM-5) der American Psychiatric Association braucht es ein früh entstandenes, überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten, das merklich von den kulturellen Erwartungen abweicht, und zwar in mindestens zwei von diesen Bereichen:

Denken, Fühlen, Beziehungen und Impulskontrolle. Das Muster muss tiefgreifend und unflexibel sein und zu Leid oder Beeinträchtigungen führen. Das DSM-5 unterscheidet fünf Gruppen von Persönlichkeitsstörungen, sogenannte Cluster.

Cluster A

Die drei Persönlichkeitsstörungen, die zu Cluster A gehören, zeichnen sich durch sonderbares und exzentrisches Verhalten aus.

Paranoide Persönlichkeitsstörung:

Menschen mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung haben ein tiefgreifendes Misstrauen und unterstellen anderen bösartige Motive. Mindestens vier der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

  1. Verdächtigt andere grundlos, ihn oder sie zu schädigen, auszunutzen oder zu täuschen

  2. Ungerechtfertigte Zweifel an der Loyalität enger Vertrauter

  3. Vertraut sich nur zögernd anderen Menschen an

  4. Liest in harmlose Bemerkungen Böses hinein

  5. Ist lange nachtragend

  6. Wird bei vermeintlichen Angriffen schnell zornig und aggressiv

  7. Verdächtigt Sexualpartnerinnen und -partner wiederholt grundlos, untreu zu sein

Schizoide Persönlichkeitsstörung:

Betroffene sind außergewöhnlich emotional distanziert und eigenbrötlerisch. Mindestens vier der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

  1. Kein Wunsch nach engen Beziehungen

  2. Ist einzelgängerisch; unternimmt fast immer Dinge alleine

  3. Wenn überhaupt wenig Interesse an Sex

  4. Wenn überhaupt bereiten nur wenige Dinge Freude

  5. Keine engen Vertrauten außer Verwandten ersten Grades

  6. Lob oder Kritik durch andere scheint ihm oder ihr egal zu sein

  7. Emotionale Kälte

Schizotype Persönlichkeitsstörung:

Menschen mit einer schizotypen Persönlichkeitsstörung haben starke Defizite im zwischenmenschlichen Bereich und empfinden im Umgang mit anderen großes Unbehagen. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

  1. Bezieht Dinge und Ereignisse auf sich, die in Wahrheit nichts mit ihm oder ihr zu tun haben

  2. Seltsame Überzeugungen und magisches Denken, zum Beispiel ausgeprägter Aberglaube

  3. Ungewöhnliche Wahrnehmungen, darunter auch Körperempfindungen, die sich nicht erklären lassen

  4. Seltsame Art zu denken und zu reden, zum Beispiel umständlich oder in Metaphern

  5. Argwohn und Paranoia

  6. Unangebrachte oder eingeschränkte Gefühlsreaktionen

  7. Merkwürdiges Verhalten oder exzentrisches Aussehen

  8. Keine engen Vertrauten außer Verwandten ersten Grades

  9. Ausgeprägte Angst in sozialen Situationen, die nicht mit näherem Kennenlernen abnimmt

Cluster B

Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung aus dem Cluster B haben gemeinsam, dass sie dramatisch, emotional oder launisch auftreten.

Antisoziale Persönlichkeitsstörung

Für die Diagnose einer antisozialen Persönlichkeitsstörung braucht es ein tiefgreifendes Muster der Missachtung und Verletzung der Rechte anderer. Mindestens drei der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

  1. Wiederholtes Begehen von Straftaten

  2. Wiederholtes Lügen und Betrügen zum eigenen Vorteil

  3. Impulsivität

  4. Aggressivität, die sich in Schlägereien oder Überfällen äußert

  5. Rücksichtslosigkeit; Gefährdung der eigenen und der Gesundheit anderer

  6. Verantwortungslosigkeit

  7. Fehlende Reue

Borderline-Persönlichkeitsstörung

Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sind außergewöhnlich impulsiv und haben ein instabiles Selbstbild, eine instabile Gefühlswelt und instabile Beziehungen. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

  1. Verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden

  2. Ein Muster instabiler und intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist

  3. Störung der Identität: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung

  4. Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen, zum Beispiel Geldausgaben, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, Essanfälle

  5. Wiederholtes suizidales Verhalten, Suizidandeutungen oder -drohungen oder Selbstverletzungsverhalten

  6. Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung, zum Beispiel hochgradige episodische Misslaunigkeit, Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Verstimmungen gewöhnlich einige Stunden und nur selten mehr als einige Tage andauern

  7. Chronische Gefühle von Leere

  8. Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren, zum Beispiel häufige Wutausbrüche, andauernde Wut, wiederholte körperliche Auseinandersetzungen

  9. Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome

Histrionische Persönlichkeitsstörung

Eine histrionische Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch übertriebene Emotionalität und ein extremes Streben nach Aufmerksamkeit aus. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

  1. Fühlt sich unwohl, wenn er oder sie nicht im Mittelpunkt steht

  2. Verhält sich oft provokant oder unangemessen verführerisch

  3. Zeigt rasch wechselnde Gefühle

  4. Versucht stets, durch ein auffälliges Äußeres Aufmerksamkeit auf sich zu lenken

  5. Effekthascherischer und wenig detaillierter Sprachstil

  6. Theatralik

  7. Leicht beeinflussbar

  8. Fasst Beziehungen enger auf, als sie sind

Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind extrem stark eingenommen von der eigenen Großartigkeit. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

  1. Fühlt sich grandios wichtig

  2. Fantasiert über grenzenlosen Erfolg, Macht, Glanz, Schönheit oder die ideale Liebe

  3. Glaubt, einzigartig zu sein und nur von anderen besonderen Menschen verstanden zu werden

  4. Verlangt nach übermäßiger Bewunderung

  5. Erwartet eine bevorzugte Behandlung

  6. Nutzt andere aus, um eigene Ziele zu erreichen

  7. Mangel an Empathie

  8. Ist häufig neidisch oder unterstellt anderen Neid

  9. Verhält sich arrogant und überheblich

Cluster C

Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung aus dem Cluster C sind ängstlich und neigen zur Vermeidung.

Vermeidend-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung

Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung sind stark sozial gehemmt, haben das tiefe Gefühl, nicht zu genügen und Angst, von anderen verurteilt zu werden. Mindestens vier der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

  1. Vermeidet aus Angst vor Kritik oder Zurückweisung berufliche Tätigkeiten, die Kontakt zu anderen Menschen erfordern

  2. Die Person lässt sich nur widerwillig auf andere ein, wenn nicht klar ist, dass das Gegenüber sie mag

  3. Zurückhaltend in intimen Beziehungen

  4. Ständige Angst vor Ablehnung

  5. Ist beim Kennenlernen neuer Menschen gehemmt

  6. Hält sich für unterlegen

  7. Tut ungern neue oder riskante Dinge, aus Angst sich zu blamieren

Abhängige (dependente, asthenische) Persönlichkeitsstörung

Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung haben ein übermäßiges Verlangen, versorgt zu werden, sind unselbstständig und klammernd. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

  1. Probleme, alleine Entscheidungen zu treffen

  2. Braucht andere, die Verantwortung für sein oder ihr Leben übernehmen

  3. Übermäßige Angst, zu widersprechen oder eine andere Meinung zu vertreten

  4. Schwierigkeiten, Dinge alleine anzugehen

  5. Nimmt überaus Unangenehmes in Kauf, nur um Zuwendung zu erhalten

  6. Fühlt sich alleine ängstlich und unwohl

  7. Wenn eine Beziehung endet, sucht er oder sie dringend eine neue, um versorgt zu werden

  8. Hat unrealistische Ängste, verlassen zu werden

Zwanghafte (anankastische) Persönlichkeitsstörung

Menschen mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung zeigen einen tiefgreifenden Drang nach Ordnung, Perfektion und Kontrolle. Mindestens vier der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

  1. Beschäftigt sich übermäßig mit Details, Regeln, Listen und Plänen

  2. Ist so perfektionistisch, dass er oder sie Aufgaben oft nicht beenden kann

  3. Ist übermäßig auf Arbeit und Produktivität fixiert – auf Kosten der Freizeit

  4. Ist übermäßig streng und rigide bei Fragen von Werten und Moral

  5. Ist nicht in der Lage, kaputte Dinge wegzuwerfen

  6. Gibt nur widerwillig Aufgaben an andere ab

  7. Ist geizig und will übermäßig für schlechte Zeiten sparen

  8. Ist rigide und halsstarrig

Persönlichkeitsstörung nach ICD-10

Die zehnte Version der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) wird aktuell nur noch übergangsweise verwendet, da mit dem ICD-11 seit 2022 eine neue Version verfügbar ist. Bis 2027 gelten beide Versionen. Die ICD-10 unterscheidet folgende Persönlichkeitsstörungen:

Paranoide Persönlichkeitsstörung

Betroffene sind empfindlich gegenüber Zurückweisung und Kränkungen, sind misstrauisch. Handlungen anderer deuten sie fälschlicherweise als feindselig. Partnerinnen und Partner verdächtigen sie immer wieder grundlos der Untreue. Sie sind streitsüchtig und beharrlich und neigen oft zu übertriebener Selbstbezogenheit, teils auch zu einem überhöhten Selbstwertgefühl.

Schizoide Persönlichkeitsstörung

Betroffene leben zurückgezogen, sind einzelgängerisch und in sich gekehrt. Sie sind nur begrenzt in der Lage, Gefühle auszudrücken und Freude zu erleben.

Dissoziale Persönlichkeitsstörung

Betroffene sind schnell frustriert und neigen zu aggressivem und gewalttätigem Verhalten. Sie missachten soziale Verpflichtungen, und die Gefühle anderer sind ihnen weitgehend egal.

Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ

Betroffene leben ihre Impulse aus, ohne die Konsequenzen zu berücksichtigen. Sie sind launisch, häufig streitsüchtig und ihr Verhalten ist von außen schwer vorhersehbar. Die instabile Gefühlswelt und die mangelnde Impulskontrolle stehen im Vordergrund.

Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ

Auch bei der emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ kommt es zu impulsivem Verhalten. Allerdings liegt hier zusätzlich ein gestörtes Selbstbild vor, hinzu kommen ein chronisches Gefühl der Leere, unbeständige Beziehungen und eine Neigung, sich selbst zu schaden und zu verletzen.

Histrionische Persönlichkeitsstörung

Betroffene neigen zu Theatralik und Dramatisierung. Sie sind egozentrisch, leicht beeinflussbar und genusssüchtig. Sie haben ein dauerndes Verlangen nach Anerkennung und Aufmerksamkeit und sind schnell gekränkt.

Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

Betroffene sind extrem perfektionistisch und übergewissenhaft. Sie müssen Dinge ständig kontrollieren, sind sehr vorsichtig und rigide. Es können unerwünschte Gedanken oder Impulse auftreten, die aber nicht so ausgeprägt sind wie bei einer Zwangsstörung.

Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung

Menschen mit einer ängstlich (vermeidenden) Persönlichkeitsstörung sind dauerhaft angespannt und besorgt, fühlen sich unsicher und minderwertig. Sie sehen überall Gefahren und vermeiden daher viele Aktivitäten. Sie verspüren eine große Sehnsucht, gemocht und akzeptiert zu werden und reagieren sehr empfindlich auf Kritik.

Abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstörung

Betroffene sind passiv und verlassen sich selbst bei großen Lebensentscheidungen auf andere. Sie fühlen sich hilflos und unfähig und übertragen lieber anderen die Verantwortung. Sie leiden unter Trennungsangst, wenn wichtige Menschen nicht da sind, und haben Schwierigkeiten den Alltag alleine zu bewältigen.

Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung wird im ICD-10 unter „sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen“ aufgeführt.

Multiple Persönlichkeitsstörung

Die ICD-10 enthält außerdem die Diagnose „multiple Persönlichkeitsstörung“. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Persönlichkeitsstörung im engeren Sinne. In der neueren Version, der ICD-11, heißt sie daher „Dissoziative Identitätsstörung“. Im Volksmund kennt man die Erkrankung, bei der sich durch frühe Traumatisierungen mehrere voneinander getrennte Identitäten bilden, auch als „gespaltene Persönlichkeit“.

Persönlichkeitsstörung nach ICD-11

Die neuste Version der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation, ICD-11, ist seit 2022 neben der ICD-10 gültig und soll diese 2027 ablösen.

Mit der ICD-11 verändert sich die Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen grundlegend. Statt grober diagnostischer Schubladen gibt es nun individuelle Diagnosen, die dem einzelnen Menschen besser gerecht werden sollen. Diese Art der Diagnostik, die in ähnlicher Form mit dem DSM-5 schon möglich ist, folgt dem aktuellen Stand der Wissenschaft und ist präziser. Denn die Grenzen zwischen den einzelnen Persönlichkeitsstörungen verschwimmen in der Realität stark. Patientinnen und Patienten lassen sich oft nicht sinnvoll einer bestimmten Schublade zuordnen. Viele haben Symptome mehrerer Persönlichkeitsstörungen, sie sind zum Beispiel impulsiv und paranoid oder narzisstisch und antisozial. Zudem besteht das Problem, dass bisher sehr unterschiedliche Menschen die gleiche Diagnose erhalten, weil sie einen Teil der geforderten Kriterien erfüllten – nur eben nicht dieselben.

Ein Gremium an Expertinnen und Experten hat deshalb entschieden, die Diagnoseschubladen abzuschaffen. In der ICD-11 gibt es also keine schizoide Persönlichkeitsstörung mehr, auch keine paranoide, histrionische und so weiter. Nur Borderline bleibt als einzige der alten Kategorien erhalten, weil zur Borderline-Persönlichkeitsstörung die meisten Forschungsergebnisse und spezifischen Behandlungsansätze vorliegen.

Statt den bisherigen Kategorien führt die ICD-11 fünf Dimensionen ein, auf denen Patientinnen und Patienten jeweils individuell eingeschätzt werden. So entsteht für jede Person ein einzigartiges Profil:

Negative Affektivität

Dazu gehört zum Beispiel, dass Menschen häufig unangenehme Emotionen wie Angst, Wut, Schuld und Scham erleben, ein geringer Selbstwert, Pessimismus oder Misstrauen.

Distanziertheit

Hierzu zählt die Vermeidung von Kontakt und Intimität mit anderen Menschen und das Verbergen von Gefühlen

Dissozialität

Dissozialität meint Egozentrik und einen Mangel an Empathie.

Enthemmung

Enthemmung äußert sich beispielsweise in Impulsivität, Ablenkbarkeit oder Rücksichtslosigkeit. -

Anankasmus

Anankasmus heißt Zwanghaftigkeit. Zwanghaftigkeit kann sich in übermäßigem Perfektionismus, unflexiblem Verhalten oder Übervorsicht zeigen.

Neben der individuellen Konstellation aus diesen fünf Merkmalen lässt sich mit der ICD-11 erstmals der Schweregrad einer Persönlichkeitsstörung feststellen. Je nach Ausmaß der Beeinträchtigung und je nachdem, ob die Probleme nur in einigen oder in praktisch allen Lebensbereichen auftreten, wird nach ICD-11 eine leichte, eine mäßige oder eine schwere Persönlichkeitsstörung diagnostizieren. Sabine Herpertz begrüßt diese Neuerung: „Empirische Befunde zeigen, dass der Schweregrad für die Prognose aussagekräftiger ist als einzelne Persönlichkeitsmerkmale.“ Eine Diagnose nach ICD-11 könnte zum Beispiel lauten: „schwach ausgeprägte Persönlichkeitsstörung mit negativer Affektivität and Anankasmus“ oder „schwere Persönlichkeitsstörung mit negativer Affektivität, Enthemmung und einem Borderline-Muster“.

Behandlung von Persönlichkeitsstörungen

Die Therapie von Persönlichkeitsstörungen hat in den vergangenen Jahren viele Fortschritte gemacht. Galten die tiefsitzenden Muster im Denken, Fühlen und Handeln früher noch als kaum veränderlich, sind Persönlichkeitsstörungen heute in vielen Fällen behandelbar.

Psychotherapie

Psychotherapie ist die primäre Behandlungsmethode bei Persönlichkeitsstörungen. Über eine tragfähige Beziehung zum Therapeuten oder zur Therapeutin erhalten die Patientinnen und Patienten Einsicht in ihre Probleme und verstehen diese besser. Durch die Therapie erlernen sie neue, konstruktivere Arten, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Zu den am besten untersuchten Psychotherapien gehört die kognitive Verhaltenstherapie, die davon ausgeht, dass ungünstige Denk- und Verhaltensmuster erlernt sind und auch wieder verlernt werden können. Auch psychodynamische Psychotherapien eignen sich zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen. Sie haben zum Ziel, tieferliegende psychische Konflikte aufzudecken und zu lösen.

Weil sich verschiedene Persönlichkeitsstörungen unterschiedlich äußern, gibt es nicht die eine Psychotherapie, die allen hilft. Spezielle Psychotherapien haben sich aber für bestimmte Persönlichkeitsstörungen als besonders wirksam erwiesen, so etwa die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT), die eigens für Borderline-Patientinnen und -Patienten entwickelt wurde. Schwerpunkt der DBT ist, gesündere Strategien im Umgang mit intensiven Gefühlen und Impulsen zu lernen.

Auch Achtsamkeitsübungen sind ein wichtiger Bestandteil der DBT, denn sie trainieren die Fähigkeit, sich von Emotionen zu distanzieren. „Die DBT kann aber auch bei anderen Persönlichkeitsstörungen Erfolg haben, etwa bei der histrionischen“, so Sabine Herpertz.

Die Schematherapie, die Elemente verhaltenstherapeutischer und psychodynamischer Ansätze verbindet und aus der Kindheit stammende Verhaltensschablonen verändern soll, eignet sich ebenfalls zur Behandlung. Menschen mit verschiedenen Persönlichkeitsstörungen profitieren von ihr, zum Beispiel der Borderline-Persönlichkeitsstörung oder der narzisstischen Persönlichkeitsstörung.

Außerdem sind Elemente der mentalisierungsbasierten Psychotherapie (MBT) bei unterschiedlichen Persönlichkeitsstörungen wirksam. Die MBT soll Patientinnen und Patienten helfen, das eigene Innenleben und das anderer Menschen besser zu verstehen. Damit haben zum Beispiel Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, mit einer narzisstischen oder einer antisozialen Persönlichkeitsstörung Probleme. Der Therapeut oder die Therapeutin regt Betroffene dazu an, im Hier und Jetzt zu sein und zu spüren, was sie gerade fühlen. Oft nutzt er oder sie dafür „Wie“-Fragen, zum Beispiel „Wie fühlt es sich an, sich so zu ärgern?“. Außerdem wird gemeinsam überlegt, welche Gedanken und Gefühle andere Menschen dazu gebracht haben könnten, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten.

„Bei der ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung sollte Exposition, also die gezielte Konfrontation mit dem, was Angst macht, Teil der Behandlung sein“, sagt Sabine Herpertz. Eine kognitive Verhaltenstherapie, die Exposition beinhaltet und die sozialen Kompetenzen stärkt, ist zur Behandlung gut geeignet. Menschen mit einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung, die sich oft in sozialen Situationen wenig zutrauen, können auch von einer Gruppentherapie gemeinsam mit Patientinnen und Patienten mit ähnlichen Problemen profitieren.

Durch die individuellere Diagnostik gemäß der ICD-11, die nicht mehr auf groben Störungskategorien beruht, soll die Psychotherapie in Zukunft präziser auf den einzelnen Patienten oder die Patientin abgestimmt werden.

Behandlung mit Medikamenten

Arzneimittel spielen in der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen eine untergeordnete Rolle. „Es gibt kein Präparat, das eine Persönlichkeitsstörung heilen oder ausreichend behandeln könnte“, erklärt Sabine Herpertz. „Bei einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung helfen aber manchmal Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, SSRI genannt, gegen die Angstsymptome. Auch um einzelne Symptome zu behandeln, zum Beispiel Schlafstörungen, die im Rahmen einer Persönlichkeitsstörung auftreten, können Medikamente in manchen Fällen eine gute Ergänzung zur Psychotherapie sein.“

Drei häufig gestellte Fragen zu Persönlichkeitsstörungen

Viele Menschen wollen wissen, welche Persönlichkeitsstörung am häufigsten vorkommt und welche am schlimmsten sind. Die gute Nachricht vorneweg: Auch in schweren Fällen lässt sich etwas tun.

Was sind die häufigsten Persönlichkeitsstörungen?

„Mit am häufigsten ist die ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung. Sie lässt sich aber auch sehr gut behandeln “, erklärt Sabine Herpertz. Diese Persönlichkeitsstörung wird auch vermeidend-selbstunsicher genannt und betrifft etwa 2,5 Prozent der Bevölkerung. Ähnlich oft kommt die zwanghafte Persönlichkeitsstörung vor.

„Unter Menschen, die sich in psychologischer oder psychiatrischer Behandlung befinden, ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung am häufigsten vertreten“, so Herpertz. Eine 2018 erschienene Übersichtsarbeit, für die Wissenschaftler der Universität Heidelberg eine Vielzahl epidemiologischer Studien auswerteten, schätzt die Prävalenz der Borderline-Persönlichkeitsstörung auf 1,6 Prozent. „Eher selten sind die schizoide und die paranoide Persönlichkeitsstörung.“

Welche Persönlichkeitsstörung ist die schwerste?

„Die Art der Persönlichkeitsstörung sagt nichts über den Grad der Beeinträchtigung aus“, erklärt Sabine Herpertz. Es gibt zum Beispiel Menschen mit einer leichten Borderline-Persönlichkeitsstörung und Menschen mit einer schweren schizoiden Persönlichkeitsstörung – und umgekehrt.

Deshalb haben Expertinnen und Experten entschieden, die Diagnosekriterien in der neusten Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation (ICD-11) anzupassen. Dort wird nun statt zwischen der Art der Persönlichkeitsstörungen zwischen ihrem Schweregrad unterschieden: Es gibt leichte, mäßige und schweren Persönlichkeitsstörungen.

Ist eine Persönlichkeitsstörung heilbar?

Lange galten Persönlichkeitsstörungen als unheilbar. Dieser Pessimismus ist nicht mehr angebracht. Zwar bleiben teils auch nach der Therapie ungünstige Muster im Denken, Erleben und Verhalten bestehen: Es kommt zum Beispiel weiter zu Konflikten in der Partnerschaft oder zu Phasen der Arbeitslosigkeit. Neuere Befunde zeigen aber, dass die Behandlung bei einigen Betroffenen so gut wirkt, dass sie die Diagnosekriterien nicht mehr erfüllen – und damit als geheilt gelten.

Die Collaborative Longitudinal Personality Disorder Study untersuchte Patientinnen und Patienten, die sich zu Beginn der Erhebung wegen einer Persönlichkeitsstörung in Therapie befanden, über zehn Jahre hinweg. Die Forschenden um den Psychiater Andrew Skodol von der Columbia University in New York verglichen deren Krankheitsverlauf mit dem von Patientinnen und Patienten mit einer Depression. Schon nach einem Jahr erfüllten nur noch 44 Prozent die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung, zehn Jahre später nur noch 15 Prozent. Nur knapp 20 Prozent fielen in alte Muster zurück. Bei den ursprünglich depressiven Patienten waren es nach zehn Jahren lediglich 5 Prozent, allerdings hatten zwei Drittel der Depressiven in den zehn Jahren einen oder mehrere Rückfälle erlebt.

Quellen

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John Gunderson u.a.: Ten-year course of borderline personality disorder: psychopathology and function from the Collaborative Longitudinal Personality Disorders study. Archives of general psychiatry, 68/8, 2011, 827-837

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Andrew Skodol u.a.: The collaborative longitudinal personality disorders study (CLPS): Overview and implications. Journal of personality disorders, 19/5, 2005, 487-504

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Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung fühlen sich schneller zurückgewiesen als andere. Johannes Heekerens erklärt, warum das so ist.
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