Magic Mushrooms und Konsorten

In seinem Buch „Verändere Dein Bewusstsein“ geht Michael Pollan dem therapeutischen Nutzen von Psychedelika nach.

Cannabis ist derzeit ein gutes Beispiel dafür, wie Drogen aus ihrer Schmuddelecke herauskommen können. Nämlich indem man für sie einen therapeutischen Nutzen entdeckt. Doch gilt das auch für magic mushrooms, die psychotropen Pilze? Oder gar LSD? Jene Substanz, die den Fleetwood-Mac-Gitarristen Peter Green – wie er selbst erzählte – auf einen Trip schickte, der seine Psyche bleibend verändert haben soll? Und die immer wieder Menschen – im Glauben, fliegen zu können – aus dem Fenster springen lässt?

In seinem neuen Buch hält Michael Pollan ein ebenso überzeugendes wie unterhaltsames Plädoyer für den Einsatz psychedelischer Drogen. Dabei sieht sich der Autor nicht gerade als jemand, den es schon immer zu spirituellen oder mystischen Erlebnissen gezogen hat. Als Student hatte er zwar ein paar psychoaktive Pilze konsumiert, doch das war es dann eigentlich auch. Dann wurde er Wissenschaftsautor und Hochschulprofessor für Journalismus, mit entsprechendem Dauerkontakt zu überprüfbaren Fakten. Selbstkontrolle und immer mehr Routine ließen ihn reibungslos funktionieren und Karriere machen.

Delle in der Weltanschauung

Doch vor einigen Jahren flatterten Studien auf seinen Tisch, die seinen Blick auf die sogenannten „Psychedelika“, wie etwa LSD und die magic mushrooms, lenkten. Pollan war gefesselt – und zwar nicht nur als Journalist. Denn in den Studien, die er las, wurden neben den therapeutischen Effekten bei Süchten, Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen auch solche Dinge wie Spiritualität und nachhaltige Bewusstseinsveränderungen als Folge des Konsums psychedelischer Substanzen thematisiert. Fortan fragte er sich: „Kann eine einzige psychedelische Erfahrung – die auf nichts anderem beruht als der Einnahme einer Pille oder eines Stücks Löschpapier – für eine so positive und tiefe Delle in der Weltanschauung sorgen?“ Und Pollan stellte diese Frage auch für sich selbst.

Beim Beantworten entstand das Buch, das trotz der knapp 500 Seiten kurzweilig ist. Denn der Autor versteht es, die Erkenntnisse der Wissenschaft mit persönlichen Erfahrungen von sich und anderen Menschen so zu verweben, dass sie einen konsistenten und fesselnden Erzählstrang bilden. Was nicht nur den Lesefluss in Gang hält, sondern auch für überraschende Aha-Effekte sorgt.

So lernt man beispielsweise, dass Studien zu einer psychedelischen Substanz ein „aktives Placebo“ benötigen, denn die Probanden müssen ja irgendetwas spüren, damit sie glauben, ein Psychedelikum erhalten zu haben. Dazu verwenden Wissenschaftler Ritalin oder auch das B-Vitamin Niacin, das ein Kribbeln in den Gliedmaßen erzeugt.

Drogenreise mit sechzig

Und wer hätte schon gewusst, das Ecstasy, auch wenn es danach klingt, nicht zu den psychedelischen Substanzen gehört? Denn es erzeugt keine starken visuellen Effekte und wirkt als Amphetamin stark auf das Herz, was, wie Pollan warnt, gerade ältere Psychedelikanutzer wissen sollten. „Denn der Unterschied einer Psychedelikreise mit sechzig zu einer mit achtzehn oder zwanzig liegt darin, dass man höchstwahrscheinlich einen Kardiologen hat, den man vorher aufsuchen will.“

Die zentrale Aussage von Pollans Buch lautet, dass uns die psychedelischen Substanzen „Zugang zu anderen Bewusstseinsformen verschaffen können, die uns spezielle Vorteile bringen könnten, sei es therapeutischer, spiritueller oder kreativer Natur“. Nebenwirkungen seien zwar möglich, aber überaus selten, sofern die Mittel sachgerecht eingesetzt würden. Was durch speziell ausgebildete Therapeuten geschehen könnte, aber auch dadurch, dass sich insgesamt der gesellschaftliche Umgang mit Drogen entspanne und vorurteilsfreier werde. „Andere Gesellschaften haben eine lange produktive Erfahrung mit Psychedelika“, betont Pollan, „und ihr Beispiel hätte uns viel Ärger ersparen können, wenn wir davon gewusst und uns damit beschäftigt hätten.“

Man kann sich leicht vorstellen, dass Pollan mit solchen Thesen nicht nur Drogenbeauftragte und Suchttherapeuten gegen sich aufbringt. Und sicherlich kann man über vieles streiten, was er schreibt. Aber einfach wegwischen kann man es nicht.

Jörg Zittlau

Michael Pollan: Verändere Dein Bewusstsein. Was uns die neue Psychedelika-Forschung über Sucht, Depression, Todesfurcht und Transzendenz lehrt. Aus dem Amerikanischen von Thomas Gunkel. Antje Kunstmann, München 2019, 496 S., € 26,–

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 5/2019: Bin ich gut genug?
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