Eigentlich muss nicht jeder zu allem eine Meinung haben, die auf Fakten beruht. Aber viele Menschen glauben offenbar, es werde von ihnen erwartet, sich auch dann zu äußern, wenn sie über einen Sachverhalt nicht informiert sind. Die Folge ist, dass wir oft Meinungen über Themen äußern, über die wir wenig bis nichts wissen. Dieses Phänomen, das der US-amerikanische Philosoph Harry Frankfurt schon in den 1980er Jahren bullshitting nannte, hat der Psychologe John V. Petrocelli nun erstmals empirisch untersucht. Dabei arbeitete Petrocelli die Bedingungen heraus, unter denen Bullshit besonders häufig vorkommt.
Der Forscher ließ die Probanden Geschichten lesen und informierte die eine Gruppe über deren Hintergrund, die andere nicht. Alle Teilnehmer sollten ihre Gedanken über die Geschichten notieren, bei der einen Gruppe gab es dazu zusätzliche Instruktionen, damit die Probanden die Erwartung entwickelten, eine Ansicht äußern zu müssen. Außerdem erfuhr ein Teil von ihnen, ihre Meinungen würden von Bewertern eingeschätzt, die den Hintergrund kennen, bei anderen war von nicht eingeweihten Beurteilern die Rede.
Eine Meinung äußern müssen
Dabei zeigte sich: Die Teilnehmer neigten stärker zu Bullshit, wenn sie Grund zu der Vermutung hatten, damit durchzukommen, wenn also die Bewerter nicht über die Geschichten informiert worden waren. Vermuteten die Probanden jedoch, ihr Bullshit werde nicht akzeptiert (weil der Bewerter gut informiert war), wagten sie sich nur aus der Deckung, wenn sie vermuteten, trotz Ahnungslosigkeit gezwungen zu sein, eine Meinung zu äußern. Insgesamt, so der Forscher, spiele die Erwartung, eine Meinung liefern zu müssen, beim bullshitting wohl die wichtigste Rolle. Es komme aber auch darauf an, ob und wem gegenüber die Ansicht begründet werden müsse und ob diese Person sich auskenne oder nicht.
John V. Petrocelli: Antecedents of bullshitting. Journal of Experimental Social Psychology, 76/2018. DOI: 10.1016/j.jesp.2018.03.004