Was wissen wir über das Beziehungsleben der Deutschen?

Haben Frauen bessere Sensoren für Beziehungen? Sind junge Menschen beziehungsunfähig? Franz J. Neyer spricht über die Ergebnisse der Pairfam-Studien.

In einer der letzten Auswertungen der Pairfam-Studien kommen Sie zu dem Schluss, dass Frauen und Männer ähnlich sensitiv sind für ihre Beziehung. Was ist daran so ungewöhnlich?

Frauen schrieb man bislang zu, die besseren Beziehungsantennen zu haben. In der Literatur gab es hier uneinheitliche Ergebnisse. Einige Paartherapeutinnen und -therapeuten sagten mir, auch sie hielten Frauen für besser darin, Beziehungen einzuschätzen.

Das stimmt anscheinend nicht. Wir haben neben den Pairfam-Daten, die bei unserer Auswertung auf Daten von rund 3400 Paaren über fünf Jahre hinweg beruhten, auch eine Tagebuchstudie mit 900 Paaren ausgewertet. Anders als wir dachten, war die Wahrnehmung von Männern und Frauen ähnlich aufschlussreich für den weiteren Beziehungsverlauf. Bei allen Paaren gab es auch ein mehr oder weniger ausgeprägtes Auf und Ab in der Zufriedenheit.

Warum halten sich Klischees wie das, dass Männer keine Sensoren für Beziehungen hätten, so hartnäckig?

Weil das ins Geschlechtsrollenstereotyp passt und man annimmt, dass Frauen einfach häufiger und intensiver über Beziehungen reden. Ob das aber wirklich stimmt, ist eine empirische Frage. Und unsere Studie hat hier einen fundierten Beitrag geleistet.

Das Pairfam-Projekt endet jetzt nach 14 Jahren. Was sind für Sie die Kernergebnisse der vielen Studien?

Für mich ist das wichtigste Ergebnis die hohe Stabilität in Sachen Beziehung: Die meisten Befragten hatten eine Beziehung oder suchten danach. Das heißt nicht, dass alle Partnerschaften gleich lange halten, manche trennen sich und suchen neue Partnerinnen oder Partner. Die Paarbeziehung ist für die allermeisten Menschen weiterhin sehr wichtig.

Vieles, was in Ratgebern oder den Medien berichtet wurde, lässt sich meiner Ansicht nach nicht bestätigen. Beispielsweise gibt es keine „Generation beziehungsunfähig“. Auch jüngere Menschen leben ihre Beziehungen intensiv. Sie probieren höchstens mehr aus als ältere.

Was wir auch festgestellt haben: Jede Beziehung ist anders und hat ihre eigene Dynamik. Bei manchen schwankt die Zufriedenheit der beiden sehr stark, bei anderen passiert da eher wenig. Noch ein Ergebnis: Bei der Partnerinnensuche haben wir anscheinend einen „Typ“. Neue Partner ähneln unseren Ex-Partnern überzufällig, aber nicht vollkommen. Wir neigen auch dazu, uns in die nächste Beziehung „mitzunehmen“, es können also ähnliche Probleme wieder auftauchen.

Wird in Deutschland weiter zu diesen Fragestellungen geforscht?

Ja, die Daten sind in das neu installierte Panel FReDA übernommen worden. Die jetzt auslaufende Studie war das teuerste sozialwissenschaftliche Projekt, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft jemals gefördert hat.

Als es vor 14 Jahren startete, war der Ansatz sehr innovativ, es gab nie zuvor eine so umfassende und über so viele Jahre dauernde Befragung von Partnern und Partnerinnen, von Kindern und auch der älteren Generation. Die Studie ermöglichte eine Fülle von Erkenntnissen über das Beziehungs- und Familienleben der Deutschen.

Franz J. Neyer ist Professor für für Persönlichkeitspsychologie und psychologische Diagnostik an der Universität Jena.

Quellen

Matthew D. Johnson u.a.: Women and men are the barometers of relationships: Testing the predictive power of women’s and men’s relationship satisfaction. PNAS, 2022. DOI: 10.1073/pnas.2209460119

Nachfolgeprojekt: freda-studie.de

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