Das neue Buch der Münchner Psychotherapeutin Bärbel Wardetzki ist ein Buch „von Frauen für Frauen geschrieben“. Der Ratgeber richtet sich an Frauen, die in einer Liebesbeziehung mit einem narzisstischen Partner stecken und sich aus dieser für sie destruktiven Partnerschaft lösen wollen.
Sieben Jahre war Sonja R. in eine Beziehung mit einem narzisstischen Partner verstrickt, der ihr Selbstwertgefühl systematisch zerstörte. Die Narzissmusexpertin Bärbel Wardetzki kommentiert die verschiedenen Phasen der Beziehung und zeigt Wege zur Befreiung auf.
Die Dynamik, der eine narzisstische Liebesbeziehung folgt, wird durch Sonja R.s Schilderungen plastisch: von dem Feuerwerk narzisstischer Verführung und Idealisierung zu Beginn über die schleichende Entwertung bis zu einem Teufelskreis seelischer Gewalt, der Selbstwert und Gesundheit schädigt, legt das Buch die Feinmechanik dieser toxischen Beziehung frei.
In der Beziehung mit einem Narzissten geht es um Macht
Wardetzki zeigt, dass es in diesen Bindungen um Macht geht: Liebe ist in der narzisstischen Beziehungslogik Selbstaufgabe. Dabei ist es der Partner des Narzissten, der sich anpassen soll: „Sei so, wie ich dich brauche, dann wirst du geliebt.“ Ein Narzisst fühlt sich nur sicher, wenn er Kontrolle über den geliebten Menschen hat, der sich im Denken und im Fühlen unterordnen soll. In der Regel sind es die Frauen, die diesen komplementärnarzisstischen Part einnehmen.
Psychologen sprechen in der narzisstischen Beziehung sogar von einem ausgedehnten Selbst (expanded self): Der andere wird zur Erweiterung des Selbst des Narzissten und so definiert, wie er gebraucht wird.
Eine Erfahrung, die, so erläutert Wardetzki, ein narzisstisch strukturierter Mensch einst selbst in der Vergangenheit machen musste, in der er als Kind entweder als Selbstobjekt der Mutter missbraucht wurde (die Mutter nimmt das Kind nur als Teil ihrer selbst wahr) oder in Verwöhnung, Überbehütung und Vereinnahmung in seiner eigenen Persönlichkeit nicht erkannt wurde und seelisch einsam war. Dieses frühkindliche Leid reinszeniert der Narzisst mit umgekehrten Vorzeichen.
Der Partner dient dem Selbstwert des Narzissten
Der Partner wird nicht als Mensch mit eigener Individualität angesehen, sondern als funktionales und dienliches Selbstobjekt zur Stabilisierung des Selbstwerts des Narzissten benutzt.
Wardetzki arbeitet heraus, warum manche Frauen sich so leicht in emotionale oder manifeste Abhängigkeit begeben und wie die typische Passivität von Komplementärnarzissten korrigiert werden kann. Am Ende des Buchs folgt nach dem analytischen Blick ein Ratgeberteil, wie der Weg aus einer wenig nährenden und ausbeuterischen Beziehung ein Weg zu mehr Autonomie, Selbstbewusstsein und Lebendigkeit werden kann.
Abgerundet wird das Buch mit praktischen Checklisten: Wie kann man einen Narzissten früh erkennen? Wer ist gefährdet, und wo findet man Hilfe? Anfällige Frauen können durch diese Lektüre zu mehr Selbstverantwortung angeregt werden.
Bärbel Wardetzki, Sonja R.: Und das soll Liebe sein? Wie es gelingt, sich aus einer narzisstischen Beziehung zu befreien. Dtv, München 2018, 223 S., € 16,90