Egoisten haben es nicht leichter

In zwei Studien wurde festgestellt: Unsympathische Menschen haben schlechtere Beziehungen zu Kollegen und Chefs

Unsympathisch, egoistisch, manipulativ, wer sich so verhält, hat es leichter, in Organisationen an die Macht zu kommen. Soweit ein manchmal bemühtes Klischee. Es stimmt nicht, stellten Psychologen in zwei Längsschnittstudien fest. Sie befragten Probandinnen und Probanden zwei Mal: vor ihrem Eintritt ins Berufsleben an ihrer Universität und im Durchschnitt 14 Jahre später. Das Ergebnis: Unsympathische, egoistische Menschen hatten keinen Vorteil. Sie verhielten sich einschüchternd und hatten schlechtere Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten. 

Dies galt unabhängig vom Geschlecht der Befragten, ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihres Alters. Ob Probanden in eine Führungsposition gelangt waren, hing nicht damit zusammen, wie oft sie den Job gewechselt hatten und hatte auch nichts mit der Kultur in ihrer Organisation oder Unternehmen zu tun. Stattdessen kamen die Extrovertiertesten am ehesten in eine einflussreiche Position, also die geselligsten und die selbstbewusstesten unter den Teilnehmern. Außerdem spielten Dominanz und Aggressivität dabei eine Rolle.

Bei den ersten Befragungen wurden die Persönlichkeiten von mehreren hundert Befragten gemessen, die zu der Zeit noch an der Universität waren. Alle füllten den Big-Five-Fragebogen aus, der auch die Eigenschaft „Verträglichkeit“ (agreeableness) oder eben das Gegenstück dazu erfasst. Bei der zweiten Messung wurde erneut ein Persönlichkeitstest vorgelegt, außerdem die Situation der Probanden in ihrer Firma oder Organisation abgefragt. An der einen Befragung nahmen zum zweiten Befragungszeitpunkt auch Kollegen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer teil. Diese Kollegen schätzten die Teilnehmer etwa im Hinblick auf dominantes Verhalten, ihre Hilfsbereitschaft oder ihr strategisches Verhalten ein. In beiden Studien spielte die Eigenschaft „Unverträglichkeit“ keine Rolle dabei, ob die Personen etliche Jahre nach ihrem Eintritt ins Berufsleben eine Führungsposition innehatten.

Wie die Psychologen schreiben, zeige sich an den Ergebnissen auch, dass soziale Hierarchien funktional seien: Menschen, die sich egoistisch und unfreundlich verhalten, erhalten keinen Vorteil, wohl aber jene, die im Sinne einer Organisation entscheiden könnten, Hilfsbereitschaft anbieten, wenn sie gefragt werden und auch dominant und aggressiv auftreten können. Extravertierte Menschen, die nach außen gerichtet sind, leichter oberflächliche Kontakte schließen und sich gut anpassen können, kommen ebenfalls besser voran. Dies gelte nicht für sehr verträgliche und freundliche Personen, die sich leicht ausnutzen ließen. 

Cameron Anderson u. a.: People with disagreeable personalities (selfisch, combative, and manipulative) do not have an advantage in pursuing power at work. PNAS, 117/37, 2020. DOI: pnas.2005088117

Artikel zum Thema
Beruf
Trotz guter Chancen schaffen es nach wie vor nur wenige Frauen in Spitzenpositionen. Mangelt es ihnen an Führungsmotivation? Hilft gezieltes Training?
Beruf
Grandios-narzisstische Personen streben Führung an und sind in solchen Positionen erfolgreich. Allerdings leiden die Beschäftigten darunter.
Leben
Eine Forschergruppe untersuchte, ob Menschen sich für sofortige, mildere Vergeltung oder spätere, verschärfte Rache entscheiden.
Anzeige
Psychologie Heute Compact 78: Was gegen Angst hilft