Sinn ist gut, Geld ist wichtig

Immer mehr Menschen wollen im Job etwas Sinnvolles tun. Aber Einkommen und Sicherheit sind für die meisten doch noch wichtiger.

Viele Menschen wünschen sich, bei ihrer Arbeit etwas Sinnvolles zu tun. © Ariel Skelley/Getty Images

Ist das, was ich beruflich mache, wirklich sinnvoll? Das fragen sich seit einiger Zeit zunehmend mehr Menschen. Es gibt Hinweise, dass manche Berufstätige bereit sind, für eine bedeutsamere Arbeit auf Geld zu verzichten. Das heißt nun aber nicht, dass das Einkommen plötzlich nicht mehr wichtig ist, wie eine Studie zeigt, bei der erstmals eine repräsentative Anzahl von deutschen Erwerbstätigen sowie Langzeitarbeitslose zum beruflichen Sinn befragt wurde. Der großen Zahl der Erwerbstätigen sind ein angemessenes Einkommen und ein sicherer Job mindestens so wichtig wie eine als sinnvoll empfundene Tätigkeit.

Die Befragten waren Teilnehmende des Panels „PASS“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (iab) der Bundesagentur für Arbeit. Das iab erhebt für dieses Panel seit 2006 jährlich Daten zu den Lebensumständen in Deutschland. Für die Forschenden bot das den Vorteil, dass sie die Einstellungen von Menschen mit und ohne Arbeit in einem Experiment direkt vergleichen konnten. Um herauszufinden, wie Menschen zwischen Sinn und Geld abwägen, unterzogen sie also Befragte aus dem PASS-Panel zwei Online-Experimenten, es waren 591 Beschäftigte und 120 Langzeitarbeitslose.

Allen wurde ein Job für eine Stunde angeboten, den sie in der Woche nach der Einladung zu Hause am Computer erledigen konnten. Die Tätigkeit war für alle die gleiche, sie wurde aber vorab unterschiedlich beschrieben. Einer Gruppe von Probandinnen und Probanden wurde mitgeteilt, dass sie Dokumente für Zwecke der medizinischen Forschung für die Digitalisierung bearbeiteten. Einer zweite Gruppe erklärten die Forschenden, dass sie Dokumente bearbeiteten, die später in einer öffentlichen Organisation digital vorgehalten, aber vermutlich selten gebraucht würden. Alle durften angeben, wie viel Geld sie für diese Stunde Arbeit mindestens verdienen wollten.

Erwerbslose hatten geringere Erwartungen an ihren Verdienst

Es zeigte sich, dass Menschen, denen Sinn besonders wichtig war, tatsächlich häufiger einen etwas geringeren Stundensatz angaben – der Unterschied war aber gering. Teilnehmende, die langzeitarbeitslos waren, wünschten sich jedoch für den als bedeutsam beschriebenen Job einen signifikant höheren Stundensatz als für den unwichtigen Job. Im Durchschnitt lagen die von den Erwerbslosen angegebenen Honorarwünsche außerdem deutlich niedriger als die von den Beschäftigten.

Die Forschenden untersuchten außerdem, wie sehr sich die Personen in den zwei Versuchsbedingungen anstrengten, was als Zeichen für ihre Motivation interpretiert wurde. Insgesamt waren sie in der „Sinn“-Bedingung etwas produktiver, der Unterschied war aber nicht überzufällig. Diejenigen ohne Job schnitten in der „Sinnlos“-Bedingung deutlich schlechter ab als dann, wenn sie glaubten, dass sie die Dokumente für die medizinische Forschung bearbeiteten. Ein scheinbar widersprüchliches Ergebnis: Die Erwerbslosen legten in ihrer Bewertung weniger Wert auf eine sinnvolle Tätigkeit, aber sie strengten sich bei dem bedeutsamen Job wesentlich mehr an. Offenbar motiviert eine als sinnvoll empfundene Arbeit also auch dann, wenn sie – abhängig von der der Lebenssituation – nicht immer Priorität Nummer eins hat.

Was für uns sinnvoll ist

Sinnerleben ist auch eine Frage persönlicher Prioritäten. Und was Menschen in ihrer Arbeit als sinnvoll erleben, kann sich individuell unterscheiden, dies ein Ergebnis der Forschungen der Psychologin Tatjana Schnell. Sie nennt vier Kriterien unseres Sinnerlebens: Die Bedeutsamkeit, also der Nutzen der Tätigkeit für andere Menschen. Für andere mag es wichtiger sein, dass sie ihren Job als „kohärent“ erleben, dass er also zu den eigenen Werten und emotionalen Bedürfnissen gut passt. Einige legen Wert darauf, dass sie die Ziele und Werte ihres Arbeitgebers gut kennen und sich daran orientieren können. Und schließlich brauchen Menschen das Gefühl von Zugehörigkeit zu ihrem Team und Kolleginnen und Kollegen, damit sie ihren Job sinnvoll finden.

Iris Kesternich u. a.: Money or meaning? Labor supply responses to work meaning of employed and unemployed individuals. European Economic Review, 2021. DOI: 10.1016/j.euroecorev.2021.103786

Friederike Hardering: Sinn in der Arbeit. Springer Essentials, 2020

Tatjana Schnell: Psychologie des Lebenssinns. Springer, 2020

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