Mehr als ein Objekt

Wer sich im Job zu wenig als Mensch gesehen fühlt, läuft Gefahr, etwas zu verlieren: die Zugehörigkeit zum Unternehmen und die Lust am Arbeiten

Sich bei der Arbeit wie eine Nummer fühlen, nur gefragt werden, weil man nützliche Informationen haben könnte, oder selbst in forderndem Ton unpersönliche Anfragen an Kollegen stellen, als seien sie ein Gerät– das verstehen Psychologen unter Objektifizierung. Wie die Forscher in sechs Studien mit mehr als 2700 Teilnehmern zeigen, ist das in der Arbeitswelt relativ verbreitet und zwar auch unter durchschnittlichen Arbeitnehmern.

Der Grund: Im Job neigen wir vermehrt zu strategischem und kalkulierendem Denken, schreiben die Psychologen. Wir bewerten andere auf ihren potenziellen Nutzen hin anstatt sie als Menschen mit Gefühlen und Zielen zu sehen. Ihre Studien erbringen Hinweise darauf, dass zu ausgeprägte Objektifizierung letztlich negative Entwicklungen anstoßen kann: Individuen fühlen sich ihrem Team weniger zugehörig, das Verhalten im Unternehmen kann unhöflicher werden, Mitarbeiter verlieren die Motivation.  

Zunächst testeten die Psychologen die Vermutung, dass der Arbeitskontext stärker dazu verleitet zu objektifizieren, indem sie Teilnehmer Fotos einschätzen ließen – sie zeigten ein- und dieselbe Person in derselben Körperhaltung, aber jeweils in einem privaten oder beruflichen Setting. Die Personen sollten daraufhin eingeschätzt werden, inwieweit sie andere instrumentalisieren oder ob sie die Grenzen anderer respektieren würden.

Die Psychologen ließen weitere Probanden Szenarios von eher privaten oder eher beruflichen Workout-Treffen bewerten. Einer Stichprobe aus berufstätigen Erwachsenen schickten die Forscher eine Woche lang zwei Mal täglich Textnachrichten zu, um sie nach ihren Gesprächen und Kontakten mit Kollegen oder im privaten Umfeld zu befragen und das Ausmaß an Objektifizierung festzustellen. Dabei fragten sie ihre Probanden danach, ob sie sich selbst objektifiziert fühlten, aber auch danach, ob sie andere objektifizierten. Schließlich untersuchten die Wissenschaftler auch, welche Merkmale der sozialen Situation Objektifizierung hervorrufen können und zwar bei der Arbeit als auch im privaten Leben. Auch dafür schickten sie den Teilnehmern Fragen zu ihrer aktuellen Situation. Außerdem lasen Versuchsteilnehmer Mission Statements von 20 großen Konzernen aller Branchen und schätzen diese daraufhin ein, ob in dem jeweiligen Unternehmen eher mehr oder weniger objektifiziert werde und ob sie selbst gerne in dieser Firma arbeiten würden. 

Dinge erledigt bekommen

Wann wird Objektifizierung am stärksten erlebt? Sie findet oft statt in Situationen, wo es um Pflichten geht und um das Bestreben, Dinge erledigt zu bekommen. Teilnehmer berichteten davon, als Objekt behandelt zu werden, wenn ihnen der intellektuelle Austausch mit andere fehlte, oder wenn sie Arbeitssituationen als unerfreulich oder angsteinflößend erlebten. Einige berichteten auch von Misstrauen oder dem Verdacht getäuscht zu werden, weil sie das Gefühl hatten, gerade nur benutzt zu werden. Dies Forschungsergebnisse bedeuteten nicht, dass Objektifizierung im privaten Leben nicht vorkomme, schreiben die Forscher. Wie sehr wir im Job „objektifizieren“, hängt laut der Psychologen nicht nur von Einzelnen, sondern auch von der Unternehmenskultur ab sowie den Zielen der Firma und ihren Werten.

Zudem sei Objektifizierung nicht nur negativ: Es könne auch sehr stabile, rein instrumentelle Arbeitsbeziehungen geben. 

Peter Belmi, Juliana Schroeder: Human „Resources“? Objectification at work. Journal of Personality and Social Psychology, 2020. DOI: 10.1037/pspi0000254

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