Der externe Bewerber war besser qualifiziert und würde vermutlich erfolgreicher sein als der interne. Dennoch entschied sich die Führungskraft für den Kandidaten aus dem eigenen Haus, weil das Management es so wollte. Dies ist eine von vielen Entscheidungen, über die insgesamt 950 Führungskräfte einer großen Verwaltung des öffentlichen Dienstes in einer wissenschaftlichen Studie berichteten. Mit einer solchen Entscheidung wird zwar ein Konflikt vermieden, von Vorteil für die Organisation oder das Unternehmen ist sie aber nicht. Eher dient sie dazu, das Ego zu schützen und die Person abzusichern, die sie trifft. Wissenschaftler nennen es „defensive Entscheidungen“ und sie sind häufiger als man denken mag, stellten die Forscher Florian M. Artinger, Sabrina Artinger und Gerd Gigerenzer bei der Befragung der Führungskräfte fest, die alle Personalverantwortung innehatten. Im Durchschnitt, so zeigte sich, bezeichneten die Befragten im Durchschnitt 2,5 ihrer 10 wichtigsten Entscheidungen als defensiv.
Am häufigsten entscheiden Führungskräfte offenbar auf diese Weise, um Konflikte zu vermeiden. Manche taten es aus Mangel an Motivation, etwa wenn ein externer Anbieter nicht gewechselt und die Anstrengung gescheut wurde, einen neuen zu suchen. Andere gaben an, dem Druck ihres Managements bei ihrer Entscheidung trotz besseren Wissens nicht widerstanden zu haben. Wieder andere berichteten von unsicheren Entscheidungen, bei denen aus Personalmangel die Fakten nicht sorgfältig genug geprüft werden konnten. Die Forscher ziehen aus den Ergebnissen den Schluss, dass 64 Prozent der berichteten defensiven Entscheidungen aus einem psychologischen Motiv heraus gefällt wurden. Dabei war die Vermeidung von Konflikten das häufigste. In der Studie fanden die Wissenschaftler auch, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Häufigkeit solcher Entscheidungen und der Arbeitskultur im Team. Dort, wo es weniger gut möglich war, über Ideen, Meinungen und Bedenken zu sprechen, ohne Nachteile zu fürchten, kamen sie deutlich seltener vor.
Die Forscher verweisen zudem auf Befunde, wonach defensive Entscheidungen etwa in DAX Unternehmen noch häufiger vorkämen. Sie könnten erhebliche Kosten verursachen und sich darüber hinaus negativ auf die Zufriedenheit von Mitarbeitern und Kunden auswirken, aber auch auf die Innovationskraft der Organisation. Das Kürzel C. Y. A., das die Autoren im Titel ihrer Studie nennen, steht in der Managerwelt für „cover you ass“ und wird unter Führungskräften häufig verwendet, wie die Forscher berichten. Seit ein paar Jahren steht es auch im Oxford Dictionary of English Idioms.
Florian Artinger u. a.: C. Y. A.: frequency and causes of defensive decisions in public administration. Business Research, 12/9, 2019. DOI: 10.1007/s40685-018-0074-2