Konflikte vernünftig auszutragen und zu einer Einigung zu kommen, erfordert von den Beteiligten eine Fähigkeit, die Psychologen wise reasoning nennen (deutsch etwa: kluges Abwägen oder Argumentieren), dazu gehört etwa intellektuelle Bescheidenheit, weiterhin die Bereitschaft, die Perspektive des anderen zu erkennen und auch frühzeitig zu sehen, in welche Richtung sich eine Konfliktsituation entwickeln könnte. Aber geht das so einfach? In mehreren Studien mit mehr als 1600 Freiwilligen gingen Forscher der Frage nach, welche Rolle eine erhöhte Angst vor Zurückweisung (rejection sensitivity) in Konflikten spielt – es ist eine relative große. Diese Angst führt nämlich dazu, dass sich unsere Wahrnehmung verengt und die Bereitschaft steigt, uns zu verteidigen – auf Kosten des klugen Abwägens und der Offenheit für die Meinungen der anderen.
Angst lähmt uns bei Konflikten
Zunächst wurden die Probanden gebeten anzugeben, inwieweit sie sich bei der Vorbereitung eines schwierigen Gesprächs mit einem Kollegen bestimmte Gedanken machten, etwa überlegten, die Perspektive des anderen zu verstehen oder sich zu fragen, in welche Richtung sich Die Konfliktsituation entwickeln könnte. Eine hohe Empfänglichkeit für mögliche Zurückweisung kann eine stabile Persönlichkeitseigenschaft sein, schreiben die Forscher. Um sie zu erfassen, benutzten sie den Rejection Sensitivity Questionnaire für Erwachsene und erhöhten in einem Teil der Studien das Gefühl der Bedrohung bei den Teilnehmern, indem sie kritische Situationen aus deren Leben abfragten. Darüber hinaus fragten sie auch die Bindungsstile der Probanden ab und maßen die Ausprägung der Eigenschaften der Big-Five-Eigenschaften Verträglichkeit, Neurotizismus, Offenheit, Gewissenhaftigkeit und Extraversion oder Introversion. Schließlich legten sie den Probanden auch den Narcissistic Personality Index vor.
Bei denjenigen Probanden, die große Angst vor Zurückweisung zeigten, waren die Fähigkeiten, sich in der Konfliktsituation zu bewegen und hier konstruktiv zu argumentieren, geringer. Wer keine Angst hat, so die Schlussfolgerung, sondern glaubt, dass er auch in einer Konfliktsituation akzeptiert wird und nicht fürchtet, abgewiesen zu werden, ist in der Lage, zu Kompromissen und einer Lösung des Konflikts beizutragen.
Anna Dorfman u. a.: Rejection sensitivity hurts your open mind: Effects of rejection sensitivity and power position for wise reasoning in workplace conflicts. University of Waterloo, 2019. Psyarxiv.com, DOI: 10.31234/osf.io/ack8n