„Ein gutes Leben ist voller Freude und Herausforderungen. Voller Liebe, aber auch voller Schmerz. Und es ist nicht plötzlich da, es entwickelt sich im Laufe der Zeit. Es ist ein Prozess, der Tumult, Ruhe, Leichtigkeit, Schwere, Kämpfe, Errungenschaften, Rückschläge, Sprünge nach vorn und schreckliche Stürze beinhaltet“, schreiben Robert Waldinger und Marc Schulz, Direktor und stellvertretender Direktor der Harvard Study of Adult Development, auf der das Buch The Good Life…und wie es gelingen kann basiert.
Die Studie begann bereits 1938 und wird bis heute fortgesetzt. Seit 85 Jahren folgen Forscherinnen und Forscher denselben Menschen und stellen ihnen immer wieder Fragen über ihre Erfahrungen und Erlebnisse in ihrem Leben. Es handelt sich daher um eine seltene prospektive Längsschnittstudie.
Die Forschenden verlassen sich dabei nicht nur auf das, was ihnen berichtet wird. Sie machen zusätzlich Bluttests und bildgebende Gehirnuntersuchungen. Sie entnehmen Haarproben, um die Ausschüttung von Stresshormonen zu messen, und überprüfen die Herzfrequenz bei der Schilderung der wichtigsten Ziele im Leben. Denn bei der Erinnerung an vergangene Ereignisse ist das Gedächtnis unpräzise oder gar erfinderisch.
Was ist gut für mich?
Heute umfasst die Studie drei Generationen und mehr als 1300 Kinder der ursprünglichen 724 Mitwirkenden. Anfangs wurden vor allem weiße – überwiegend männliche – Amerikaner befragt.
Eine starke Betonung liegt auf der lebenslangen glücklichen Ehe. Aktuelle Entwicklungen wie die zunehmende Vereinsamung, die Entgrenzung der Arbeit durch Technologie oder die Auswirkungen von sozialen Medien werden allenfalls gestreift. Wenn man Menschen frage, was sie sich im Leben am meisten wünschen, sagten sie meist: Ich will einfach nur glücklich sein. Aber die bittere Wahrheit sei: „Wir sind unglaublich schlecht darin zu wissen, was für uns gut ist.“
Oft werden die materiellen Umstände genannt, sprich Geld. Dabei ist längst belegt, dass Geld allein nicht glücklich macht. Dennoch bleibt es das zentrale Objekt der Begierde. Grund für die Unzufriedenheit sind auch die sozialen Vergleiche, die wir automatisch ziehen: Je mehr wir uns mit anderen vergleichen, desto unzufriedener sind wir – selbst wenn das Ergebnis zu unseren Gunsten ausfällt.
Beziehungen sind entscheidend
Ein Faktor habe sich als entscheidend erwiesen für die körperliche und psychische Gesundheit und die Lebensdauer: erfüllende Beziehungen. Das gelte für Beziehungen aller Art und immer wieder, schreiben die Autoren. So ist das Buch vor allem ein Beziehungsratgeber, bevorzugt für Paare. Familie, Freundinnen und Arbeitsbeziehungen werden eher kurz behandelt.
Letztlich trage eine Unmenge an Faktoren zur Zufriedenheit eines Menschen bei und man könne nicht sagen, dass dieser oder jener Faktor dieses oder jenes Ergebnis hervorbringt, resümieren die Autoren. „Der Mensch steckt eben voller Überraschungen.“
Robert Waldinger, Marc Schulz: The Good Life… und wie es gelingen kann. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Kretschmer. Kösel 2023, 432 S., € 24,–