Halt in unsicheren Momenten

Wozu haben wir Angst? Und was tun, wenn man sich ihr ausgeliefert fühlt? ► Drei Autorinnen widmen sich der Frage, wie wir besser mit ihr umgehen können.

Angst bedeutet Leben. Sie leitet uns in gefährlichen Situationen, macht uns vorsichtig, lässt uns Schutz suchen. Aber was tun, wenn sie versagt? Wenn die Angst uns im Alltag bremst, statt uns zu schützen? Drei aktuelle Bücher greifen die Coronapandemie und den Ukrainekrieg als Bedrohungen auf, die Angst einflößen – und wollen einen gesunden Umgang mit dem verstörenden Gefühl fördern.

Sich neu verorten

Eine empfehlenswerte Anleitung hierfür bietet Dunja Voos’ Titel Tritt aus dem Schatten deiner Angst. Ihr Buch ist ein Siebenschritteprogramm. Der erste Schritt setzt bei der Artikulierung der Angst an, der letzte besteht im Aufbauen neuer Routinen, die uns widerstandsfähiger gegenüber diesem Gefühl machen. Zu den anderen Schritten gehört etwa, positive, wohltuende Beziehungen zu den Mitmenschen herzustellen. Voos’ umfassende wie konkrete Schritte helfen dabei, sich im Alltag neu zu verorten – auf eine Weise, die Angststörungen entgegenwirkt.

Die Psychotherapeutin kennt diese auch aus ihrer eigenen Vergangenheit. Vielleicht liegt es gerade an ihren persönlichen Erfahrungen, dass ihr Buch wohldurchdacht und einfühlsam ist. Eine weitere Stärke ihres Werkes geht womöglich darauf zurück, dass Voos als Ärztin tätig war: In ihrem Buch behält sie stets das Leid des angstgeplagten Körpers und seine Bedürfnisse nach Zuwendung und Fürsorge im Blick. Ihre Lektüre liest sich leicht, ohne über Fachbegriffe zu stolpern, und immerzu schafft es die Autorin, dass man sich seinen unguten Gefühlen nicht völlig hilflos ausgeliefert fühlt. Gerade jenen Personen, die zwar am Alltag teilnehmen, sich dabei aber ständig von der Angst begleitet fühlen, ist Voos’ Buch zu empfehlen.

Folgen eines fehlenden Urvertrauens

Wer weniger intensiv mit Angst zu kämpfen hat, dem könnte das Buch der Psychologin Charlotte Mitsch gefallen. Sie geht die Angst an, indem sie sich auf unsere Ressourcen konzentriert. Dazu zählt sie etwa Kreativität, Selbstbeherrschung und Flexibilität. In Gewinne dein Urvertrauen zurück lädt die Autorin ein, diese Ressourcen gezielt einzusetzen, um beängstigende Situationen ohne negative Langzeitfolgen zu bewältigen.

Auch auf Bewältigungsstrategien und Abwehrmechanismen geht Mitsch ein, ebenso auf deren Kehrseiten, etwa Abwehrmechanismen, die uns wichtige Informationen ausblenden lassen. Darüber hinaus erklärt die Autorin, wie Traumata entstehen. Für Eltern dürfte das dritte Kapitel interessant sein: Hier setzt sie sich unter anderem mit den Folgen der Pandemie auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auseinander – und bietet Rat, wie man die Sorgen und Nöte der jungen Menschen mildern könnte.

Das Urvertrauen, das Mitsch im Titel anspricht, wird in der Mitte ihres Buches behandelt. Es werde bereits im Kindesalter geschaffen – oder vernachlässigt, indem die Bedürfnisse des Kindes nach Liebe und Sicherheit nicht gestillt werden. Das kann zu anhaltenden Angstzuständen führen. „Es ist harte Arbeit, die Folgen eines fehlenden Urvertrauens abzumildern, aber trotzdem möglich, da der Mensch ein Leben lang lernen kann“, schreibt Mitsch. Sie schlägt unter anderem drei Schritte vor, die gerade in unsicheren Momenten Halt geben sollen.

Die Autorin bietet wenig neue Erkenntnisse. Sie führt verschiedene Themengebiete zusammen, verwebt sie auf gelungene Weise, baut aber keines eingehend aus. Ihr Verdienst: Sie stellt unsere Ressourcen so gekonnt nebeneinander auf, dass sie uns immerzu an die Stärke erinnern, die in uns schlummert.

Angst als Antrieb

Das ist bei Constanze Dennigs Buch Willkommen Angst nicht der Fall. In ihrer Einleitung betont sie die positive Seite der Angst, die ein Motor für menschliche Entwicklung sein kann. „Erst als ich mich gedanklich von meinem beruflichen Korsett lösen konnte – nämlich zu versuchen, Angst wegzutherapieren –, entdeckte ich die großartigen Folgen von Angst“, schreibt sie. Diesen wichtigen Gedankengang greift die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie jedoch im Laufe ihres Buches zu selten wieder auf.

Stattdessen geht sie beispielsweise auf physiologische und biochemische Grundlagen des Gefühls ein. Eben noch tief im menschlichen Gehirn zu Besuch, konfrontiert uns Dennig im nächsten Kapitel mit dem großen Geschäft rund um die Angst: Von ihr profitieren laut der Autorin all jene, die versprechen, uns von ihr befreien zu können. Dazu zählen für sie Esoterikerinnen und Esoteriker, aber auch die Religionen – dies könnte gläubige Leserinnen und Leser vor den Kopf stoßen. Sonderbarerweise rät Constanze Dennig einige Kapitel weiter: „Zunden Sie eine Kerze in der Kirche an, wenn Sie sich um jemanden sorgen, auch ohne gläubig zu sein. Spenden Sie an eine wohltätige Organisation als ‚magische Vorauszahlung‘ auf ein wohlgesonnenes Schicksal!“

Neben solch widersprüchlichen Ansätzen finden sich auch zu starke Verallgemeinerungen in ihrem Buch. So greift Dennig Angst als Antrieb für bessere Leistungen auf und unterstellt allen Menschen, die ihr Werk verbessern und mehr erreichen möchten, „manischen Drang“ und auch „Lust am Spiel“. Willkommen Angst fehlt es an innerer Kohärenz und Sensibilität, um es als hilfreichen Ratgeber empfehlen zu können.

Constanze Dennig: Willkommen Angst. Vom Nutzen der Furcht. Ueberreuter 2023, 160 S., € 24,–

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 2/2024: Von hier aus kann ich meine Sorgen kaum noch sehen
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