„Draußen Gewimmel. Laute Stimmen. Die Sonne kämpft sich durch die Wolken. Nach neun Monaten Kälte sind die Menschen in die Welt geströmt, um sich aufzuwärmen. Im Außen und im Innen. Aber sie nicht. Sie sitzt an dem spiegelglatten Esstisch. Ein roter Samtstuhl, der sie längst kennt. Zwei braune Bleistifte, die ihr gehorchen. Ein Blatt Papier, gegen das sie kämpft. In ihrem Kopf ein Meer voller Geschichten. In ihrem Bauch ein Meer voll Leben.
Und nun muss das alles nicht nur geordnet und niedergeschrieben werden und Sinn ergeben und über das Eigene hinausführen, sondern an das Große erinnern. So dass sich jeder wiederfinden kann, wenn er sich verloren hat. Wie sie sich einst verloren hatte und durch den Bleistift, der ihr gehorcht, und das Papier, gegen das sie kämpft, sich selbst wiederfand. Denn sie mag gerne nützlich sein. Wenn sie nützlich ist, dann wird alles ganz ruhig in ihr und still wie die Nacht. Sollen die da draußen doch die Sonne genießen. Sie ist ja längst warm.“
Was könnte Ihre Bildgeschichte mit Ihnen persönlich zu tun haben?
„Letztens sah ich ein Instagram-Reel. Da erzählte eine Sportlerin von der Drittelregel: Ein Drittel der Zeit musst du zufrieden mit deiner Leistung sein. Ein Drittel enttäuscht und ein Drittel am Boden zerstört darüber, wie schlecht du bist. Wenn ich zu meinem Schreibprozess befragt werde, antworte ich gerne, dass 20 Prozent Fun, 30 Prozent Disziplin und 50 Prozent Schmerz sind. Schreiben ist eines der einsamsten Dinge der Welt. Und man muss selbst schon sehr einsam sein, um sich dem täglich auszusetzen. Aber Schreiben ist auch Gespräch. Es ist zum einen das Gespräch mit sich selbst und gleichzeitig das Gespräch mit dem unbekannten Anderen. Aber es ist auch ein Gespräch mit G_tt. G_tt als das Alles, das große Ganze eben.“
Mirna Funk ist Schriftstellerin, Kolumnistin und Moderatorin. Sie lebt in Berlin und Tel Aviv. Auf ihren preisgekrönten Debütroman Winternähe folgten der Roman Zwischen Du und Ich und das Plädoyer Who Cares! Von der Freiheit, Frau zu sein.