Ich sehe, in der Mitte des Bootes liegend und von diesem in den Schlaf geschaukelt, einen Knaben – er träumt den Traum des Lebens. Auf dem Fluss treibt er der Zukunft entgegen. Es ist Frühling, die Strömung noch ruhig und sanft, das Leben gedeiht, der blühende Baum verheißt die Früchte des Sommers. Der Knabe träumt von der Zeit des Lernens und Reifens, von den Vorbereitungen auf den Sommer, von der Suche nach einer Freundin und Gefährtin, die ihn auf seinem Weg begleitet, vielleicht bis zum Ende, wenn er Glück hat. Noch ist die Strömung sanft und träge, das Boot gleitet ruhig dahin, wie von schützenden Händen getragen.
Aber es dauert nicht lange, bis die Strömung stärker wird. Dann schaukelt das Boot und berichtet von den Wechselfällen des Lebens, von den Stolpersteinen und Hindernissen auf dem Weg durch Jahre und Jahrzehnte. Bis der Fluss das große Meer erreicht, in das alle Flüsse münden, alle Lebenswege, könnte es Stromschnellen und sogar gefährliche Wasserfälle geben, und unterwegs erwarten den Knaben nicht nur Sonne, sondern auch Regen und Sturm. Traum und Fluss flüstern ihm zu: Du musst lernen, für alles bereit zu sein und nie zu verzagen. Auch wenn es noch so lange regnet, auch wenn in Sommer, Herbst und Winter die Wolken manchmal dicht und finster sind, irgendwann gibt es wieder Sonnenschein.
Aber noch ist es nicht so weit für den Knaben. Er träumt den Frühling, den Beginn des großen Abenteuers namens Leben.
Was könnte Ihre Bildbeschreibung mit Ihnen persönlich zu tun haben?
Ich bin immer neugierig gewesen auf das Leben und die Zukunft. Auch deshalb schreibe ich Romane: um die Seele auszuloten und all die Möglichkeiten zu erforschen, die sich uns bieten. Manchmal glaube ich zu träumen und frage mich, was passiert, wenn ich erwache.
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Andreas Brandhorst ist Autor von Science-Fiction-Romanen und Thrillern wie Das Erwachen und Die Eskalation oder der Hörbuchserie Sleepless. Er hat drei Jahrzehnte in Italien verbracht und ist vor wenigen Jahren nach Deutschland zurückgekehrt