Lachen ist uns ein Bedürfnis. Comedy gilt als Zuschauermagnet in Fernsehen und Kino. Das auf den Bühnen am häufigsten aufgeführte Shakespeare-Stück ist nicht etwa Hamlet, sondern die Komödie Ein Sommernachtstraum. Aber was soll das alles? Warum amüsieren wir uns überhaupt? Eine bierernste und offensichtlich nicht ganz leichte Frage für die Forschung.
Schon vor 100 Jahren wurden 77 Humortheorien gezählt, und seither sind es dank Fachjournalen wie dem International Journal of Humor Research nicht weniger geworden. Fünf der Theorien stellt G. Neil Martin, Psychologiedozent an der Regent’s University of London, in einem neuen Buch vor.
1. Überlegenheit
Plato war kein Freund von Humor. Der beruhe auf dem Prinzip der Herabwürdigung, des Lächerlichmachens von anderen, um sich selbst zu erhöhen. Thomas Hobbes sah das ähnlich: „Menschen lachen über die Schwächen anderer. Die Lust des Gelächters ist nichts als ein plötzlicher Ruhm aufgrund einer unerwarteten Überhöhung unserer selbst.“
Der amerikanische Kommunikationswissenschaftler Charles R. Gruner griff die These in den 1970er Jahren auf: Jeder Scherz habe ein täppisches Opfer, dem man sich überlegen fühlen könne. Insbesondere Witze über Herkunft und Geschlecht bedienten dieses Prinzip. So lachen wir über debile Ostfriesen (im Königreich: Waliser), Pantoffelhelden und einfältige Blondinen.
Doch ist Gelächter wirklich immer von dieser abwertenden Sorte? In der neueren Forschung steht diese Art von Scherzen eher für einen ganz bestimmten Humorstil, den nicht alle pflegen: den aggressiven Humor. Scherze dieser Art richten sich oft gegen Menschen, die nicht der eigenen Ingroup angehören, etwa die Tölpel im anderen politischen Lager.
2. Inkongruenz
Diese ebenfalls sehr alte Theorie hält das Unvorhersehbare, Überraschende für das wesentliche Element von Humor. Dieser kreist ja oft um ein Missverständnis, eine absurde Fehlinterpretation, eine Verkennung der Tatsachen. Voltaire beobachtete, dass an diesen Stellen im Theater am lautesten gelacht wird.
Schon Cicero hatte erkannt: „Die gebräuchlichste Art von Witz ist die, bei der wir eine bestimmte Aussage erwarten, aber dann etwas ganz anderes gesagt wird“ – Humor als Aha-Effekt. „Ich möchte sterben wie mein Vater“, kalauerte weiland der englische Komiker Bob Monkhouse, „friedlich im Schlaf und nicht schreiend und entsetzt wie seine Passagiere.“
Uns erheitert also die Inkongruenz, die Nichtübereinstimmung von Erwartetem und Eingetretenem, bisweilen aber auch jene „zwischen dem abstrakten Wissen, der grauen Theorie und dem wirklichen Leben“, wie Arthur Schopenhauer bemerkte.
Der englische Essayist William Hazlitt sprach vom „Missverhältnis zwischen den Dingen, wie sie sind und wie sie sein sollten“. Kennen Sie den Monty-Python-Sketch vom toten Papagei? Die Dinge, wie sie sind, das ist hier ein leichenstarrer Vogel in einem Zoogeschäft. Doch zwecks besserer Absatzchancen sollte der Papagei nun mal besser lebendig sein, und so versucht der Verkäufer im Kundengespräch, den sehr offensichtlichen Zustand des Tiers mit immer abstruseren Theorien zu bestreiten.
3. Entlastung
Lachen wird hier als ein Ventil gesehen, mit dem eine aufgestaute psychische oder nervöse Erregung entladen werden kann. Schon der Philosoph Herbert Spencer hatte 1860 eine solche These aufgestellt, doch die bekannteste Entlastungstheorie wurde von Sigmund Freud in seinem Buch Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten vorgetragen. Freud sah im Humor – ähnlich wie im Traum – ein Schlupfloch für Verdrängtes: Unterdrückte Gedanken und Gefühle, vor allem sexuelle oder aggressive Regungen, könnten sich so auf verkleidete Weise einen Schleichweg ins Bewusstsein bahnen.
Das Über-Ich als Tugendwächter der Psyche wird hierbei an der Nase herumgeführt und überlistet. Diese Täuschung erfordert – wieder analog zur Traumarbeit – „Witzarbeit“: Die lüsternen oder feindseligen Impulse müssen getarnt und für das Über-Ich unkenntlich gemacht werden, so dass die Triebquelle im Unbewussten mit Lustgewinn angezapft werden kann. „Während der 1960er und 1970er Jahre gab es einige Versuche, aus dieser Theorie experimentell überprüfbare Hypothesen abzuleiten“, schreibt Martin, „doch die Resultate waren durchwachsen.“
4. Erregung
Der britisch-kanadische Psychologe Daniel Berlyne betrachtete Humor nicht wie Freud als Entladung, sondern als das Tanken von Energie. Humor wirkt anregend. Kunst, Ästhetik, aber eben auch Komik basieren für Berlyne auf einem Bedürfnis nach Stimulation durch Neuheit, Komplexität, Überraschung, Ambiguität und Widersprüchlichkeit.
Doch allzu viel davon sollte es nach seiner Theorie nicht sein, sonst mache man die Schotten dicht; ein mittleres Anregungsniveau sei optimal. Tatsächlich haben laut G. Neil Martin Studien bestätigt, dass die physiologische Erregung, das arousal steigt, während man einem Witz zuhört. Dessen Pointe sorgt dann aber nicht für eine Entladung dieser Energie, sondern sogar für einen zusätzlichen Schub an arousal.
5. Umschalten
Die Umschalttheorie des britischen Psychologen Michael Apter rückt das Spielerische am Humor in den Blickpunkt. Ein verspielter Gemütszustand, so Apter, sei die Voraussetzung, um empfänglich für das Komische und Kreative zu sein und es zu genießen. Das funktioniert nur dann, wenn wir uns in einem „schützenden Rahmen“, einer „psychologischen Sicherheitszone“ befinden.
In einem zielfokussierten, einem „telischen“ Bewusstseinszustand hingegen sind wir unempfänglich für Ablenkungen jeder Art – und somit auch für alles, was uns erheitern könnte. Dieser telische Zustand ist auf die Zukunft ausgerichtet. In dem „paratelischen“, spielerischen, humorvollen Zustand hingegen können wir uns ganz der Gegenwart hingeben.
Im telischen Zustand unterdrücken wir Stimulation von draußen, im paratelischen hingegen verlangt es uns danach. Wir pendeln laut Apter im Lauf des Tages immerzu zwischen diesen Zuständen hin und her, daher „Umschalttheorie“.
Jede dieser Humortheorien erhellt Facetten unseres Sinns für Komik. Doch erklärt eine von ihnen vollständig, warum uns etwas zum Lachen bringt? Martins Antwort: nein.
Literatur
G. Neil Martin: The Psychology of Comedy. Routledge, London 2021