„Ich höre Ihnen zu“ – der schlichte Satz eröffnet in Psychotherapien bisweilen Zugang zu tiefgreifenden Selbstbegegnungen, und auch im Alltag bringt echtes Zuhören Menschen in Kontakt miteinander und mit sich selbst.
Produktives, verbindendes Zuhören aber gelingt immer seltener, so die Ausgangsthese der amerikanischen Wissenschaftsjournalistin Kate Murphy. Verhindert werde es vor allem durch die schädliche Wirkung der modernen Kommunikationstechniken. Diesem Missstand will die Autorin mit ihrem Buch Immer auf Sendung … nie auf Empfang entgegentreten und deutlich machen, „warum wir einander endlich zuhören müssen“.
Kate Murphy beruft sich auf wissenschaftliche Studien und geht auf die neurowissenschaftlichen und gehirnphysiologischen Aspekte des Zuhörens ein, der Gestus des Buches jedoch ist erzählend, geprägt durch die berufliche Praxis der Autorin. Was sie ausbreitet, sind die recht wenig überraschenden Basics des richtigen Zuhörens: Geduld, Neugier und im richtigen Moment die richtigen Fragen zu stellen.
Wie das aussehen kann, vermitteln anschaulich erzählte Begegnungen und Anekdoten, und man erfährt viele spannende Details: zum Beispiel dass die CIA nicht etwa ihre Agentinnen und Agenten im Zuhören schult, sondern umgekehrt gute Zuhörerinnen und Zuhörer anwirbt, die sie als Agenten ausbildet.
Innerpsychische Faktoren außen vor gelassen
Aber bei dem Mäandern zwischen den zahlreichen Workshop-, Talkshow- und Interviewbeispielen unterstreicht das Buch über weite Strecken nur immer wieder neu die Bedeutung des sogenannten aktiven Zuhörens, das Carl Rogers, Begründer der Gesprächstherapie, als offenes Aufnehmen und anschauliches Spiegeln möglichst vieler Facetten des jeweils Gesagten beschrieben hat.
Erst im letzten Drittel des Buches wird es wieder interessanter. Hier geht es unter anderem darum, wie wichtig die Fähigkeit, Schweigen zu ertragen, für gutes Zuhören ist, und um den Unterschied zwischen unterstützenden und Wechselantworten: Gibt man in einem Gespräch eine sogenannte „unterstützende Antwort“, bleibt der Fokus weiterhin auf der Person, die gerade gesprochen hat, während man mit einer „Wechselantwort“ die Aufmerksamkeit auf sich selbst zieht.
Bei den Gründen für scheiterndes Zuhören konzentriert sich die Autorin auf Reizüberflutung, Smartphones und Co und lässt außer Acht, wie oft innerpsychische Faktoren kontaktstiftendes Zuhören und damit glückende Kommunikation subtil und zugleich hartnäckig verhindern.
Ein weites Feld, das eine beharrliche Selbstbeobachtung verlangt und Murphys frohgemutes „Ich zeige Ihnen, wie es geht“-Versprechen zwar sympathisch, aber vorschnell erscheinen lässt. Doch ihr Buch kann Neugier wecken. Es lädt ein, erste Schritten zu gehen hin zu jenem konzentrierten, von sich selbst vorübergehend absehenden Zuhören, das menschlich wichtig ist – und gesellschaftlich immer elementarer wird.
Kate Murphy: Immer auf Sendung … nie auf Empfang. Warum wir einander endlich zuhören müssen. Aus dem Amerikanischen von Nikolaus de Palézieux. Mosaik, München 2021, 349 S., € 20,–