Optische Reizüberflutung

In der Coronakrise misten viele ihre Wohnung aus oder möblieren sie neu. Was es dabei zu beachten gilt, erklärt die Wohnpsychologin Barbara Perfahl.

Foto zeigt eine kleine Küche mit einer unübersichtlichen Küchenablage.
Ein Stressfaktor in der Wohnung ist der viele Kram, der irgendwo herumsteht. © plainpicture/Petra Herbert

Frau Perfahl, mit welchen Anliegen kommen Kundinnen und Kunden zu Ihnen?

Viele der Anfragen sind sehr diffus, die Menschen sind unglücklich mit ihren Wohnungen, wissen oft aber nicht so genau, was sich falsch anfühlt. Meist läuft es darauf hinaus, dass sie ein gewisses Wohnideal verinnerlicht haben, das aber nicht mit ihren aktuellen Wohnbedürfnissen übereinstimmt.

Zum Beispiel: Ich lebe endlich in einem Haus mit viel Platz, fühle mich aber doch nicht wohl?

Unsere Wohnideale sind oft gespeist von den eigenen früheren Wohnerfahrungen. Wenn man früher ganz beengt gelebt hat, möchte man heute vielleicht großzügiger leben und viel Platz für Besuch haben. Das kann aber dazu führen, dass eine Kleinfamilie nun in einem Haus mit riesigem Esszimmer wohnt und sich dort ganz verloren fühlt. Denn der Besuch kommt ja nur ein paar Mal im Jahr. Wir überlegen dann immer erst mal gemeinsam, welche Wohnbedürfnisse eigentlich vorhanden sind: Wie viel Platz brauche ich wirklich? Wie wichtig sind mir Sicherheit und Rückzug? Oder stehen bei mir Repräsentation und Außendarstellung im Vordergrund? Wie wichtig ist Kommunikation für mich? Das wird oft noch gar nicht durchdacht und angeschaut.

Wenn das geklärt ist, welche Veränderungen nehmen Sie dann vor?

Man kann dann überlegen, Räume ganz anders zu nutzen. Und natürlich kann man sie auch umgestalten. Oft sind dafür keine großen Veränderungen nötig. Das können unterschiedliche Maßnahmen sein, je nachdem welche Wohnbedürfnisse sich als wichtig erweisen. Das kann der Vorhang am Fenster sein, um das Sicherheitsgefühl zu erhöhen, da keiner mehr reinschauen kann. Das kann die Aufwertung des Flurs oder eines Außenbereiches sein, wenn Respräsentation ein starkes Wohnbedürfnis ist. Das können aber auch Veränderungen der Raumfunktion sein: Aus dem Esszimmer, das man sowieso nie braucht, wird ein Lesezimmer als Rückzugsort. Man kann auch mit kleinem Budget schön wohnen, diese Erfahrung habe ich immer wieder gemacht.

Welche Einrichtungsfehler beobachten Sie häufig?

Das häufigste Problem ist eine Art optische Reizüberflutung. Viele Menschen leben in optischem Lärm, es sind einfach zu viele Dinge im Raum, die den Blick ablenken und Stressoren darstellen. Zu viele Möbel, zu viel Deko, zu viel Zeug, das aufbewahrt wird. Oft hilft es schon, die Reize zu gruppieren. Bilderhängung etwa ist ein klassisches Thema: Bilder sind in vielen Wohnungen großzügig im Raum verteilt, unser Auge wünscht sich aber Ordnung und Struktur, das hat auch mit Orientierung zu tun. Ich hänge die Bilder also als Gruppe auf, dann kann ich die Reize besser und schneller erfassen, weil sie in einem Zusammenhang stehen.

Also geht es oft darum, Eindrücke zu reduzieren?

Unbedingt. Oft sind aber nicht nur zu viele Möbel oder Gegenstände im Raum das Problem. Es gibt auch jede Menge ausgeblendete Störquellen, also Dinge, die manchmal jahrelang in einer Ecke stehen und eigentlich längst weggeräumt sein sollten. Umzugskartons mit Fotoalben etwa, die seit zwei Jahren hinter dem Esstisch darauf warten, neu einsortiert zu werden. Diese Dinge blendet man leider irgendwann aus. Sie sind aber zum einen ästhetisch nicht schön und erinnern andererseits immer daran, dass da noch Arbeit wartet. Also besser weg damit. Eine ausgeblendete Störquelle kann auch die Kommode von der Schwiegermutter sein, die man gerne loswerden würde, sich aber nicht traut.

Lesen Sie das komplette Interview mit Barbara Perfahl in unserem aktuellen Themenheft der Reihe Psychologie Heute compact: Meine Wohnung und ich: Was wir brauchen, um uns wohlzufühlen. Was unsere vier Wände über uns erzählen. Wie wir den Ort fürs Leben finden

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