Frau Wollmer, Sie beschäftigen sich mit einem Thema, das der sexualwissenschaftlichen Forschung noch relativ fremd ist. Was versteht man unter dem Begriff Petplay?
In dem Begriff Petplay steckt einerseits pet, Englisch für Haustier, und play für Spiel. Hierbei handelt es sich um ein erotisches Rollenspiel zwischen zwei erwachsenen Menschen. Die von mir interviewten Petplayerinnen und Petplayer haben die Komplexität und Vielfalt von Petplay ziemlich anschaulich vermittelt: Eine Person verhält sich wie ein Haus- oder Nutztier, mit dem sie sich auf besondere Weise verbunden fühlt, und die andere Person verhält sich wie der Tierbesitzer. Voraussetzung: Alle Beteiligten sind volljährig, ihr Handeln ist intrinsisch motiviert und das gesamte Setting ist vollumfänglich konsensuell. In die Tierrolle zu zwingen, um spielerisch-erotisch jemanden zu erniedrigen, ist nicht mehr Petplay. Das wäre dann wohl eher Dominanz und Submission.
Wie sexuell ist Petplay?
Bei allen Interviewten sind Hilfsmittel wie etwa eine als Einzelstück gefertigte Ponymaske, personalisierte Hundehalsbänder und Materialien wie Leder, Latex oder Gummi ein wichtiger Teil des Spiels. Einerseits um „in die Rolle zu schlüpfen“ und andererseits – bei einigen – um explizit einen Materialfetisch auszuleben. Das erotische Rollenspiel kann, muss aber keine sexuellen Handlungen enthalten.
Die Erotik ergibt sich für die einen aus der Machtverschiebung zwischen den beiden Rollen – vergleichbar mit BDSM. Für die anderen ist das „Umsorgtwerden“ eine wichtige Komponente, so dass „der Kopf abschalten“ kann. Und bei allen Interviews hatte ich immer den Eindruck, dass vor allem Spaß, Lachen, Toben und die Leichtigkeit im Miteinander wesentliche Merkmale sind.
Die im Petplay am häufigsten verkörperten Tiere sind Pferd, Hund und Katze. Warum gerade diese Tiere?
Die Interviewten sprachen vor allem über die deutschsprachige Petplay-Community, und ich vermute, dass vor allem regionaltypische Tiere verkörpert werden. Also welche, zu denen die Personen eine emotionale oder andere Bindung haben und mit deren Verhaltensrepertoire sie sich identifizieren. Außerdem sollte dieses vermutlich auch vielfältig genug sein, um es spielerisch umsetzen zu können. Einen Goldfisch darzustellen wäre möglich, aber vom Verhaltensrepertoire her sicherlich stärker eingeschränkt.
Was für ein Bedürfnis wird befriedigt, wenn Menschen in die Rolle von Tieren schlüpfen?
Die Interviewten benennen das Ausleben ihres tierischen Alter Egos als „Urlaub vom Menschsein“ und dass sie damit für gewisse Zeit aus ihrem gewohnten Alltag ausbrechen können – so wie andere durch die Ausübung eines Hobbys eben auch. Das fand ich sehr nachvollziehbar, denn von Erwachsenen wird viel Selbstregulation und -kontrolle erwartet, der Alltag ist strukturiert durch Normen und Pflichten. All das kann in der Tierrolle abgestreift werden, und sowohl planerisches Handeln als auch Umsorgen fällt „dem Tierhalter“ zu.
Was wünschen sich die von Ihnen interviewten Petplayerinnen und Petplayer vom Umfeld und der Gesellschaft?
Hier kann ich nur vermuten, denn das habe ich sie in meinen Interviews so nicht gefragt. Aber was meistens hilft: ruhig bleiben, Respekt gegenüber der menschlichen Vielfalt, keinerlei Diskriminierung einer Person im Falle eines „Outings“ und weniger Angst vor dem Unbekannten, denn: Die wollen doch nur miteinander spielen!
Katja Wollmer ist Sozialarbeiterin, Sexual- und Medienpädagogin und hat einen Masterabschluss in angewandter Sexualwissenschaft
Katja Wollmers Buch Die wollen doch nur spielen! Einblicke in die Subkultur des Petplay ist bei Psychosozial erschienen (137 S., € 16,90).