Was hat Sie und Ihre Kollegen damals bewogen, Freunde fürs Leben e.V. zu gründen?
Gerald Schömbs und ich haben den Verein 2001 ins Leben gerufen, nachdem wir selbst geliebte Menschen durch Suizid verloren haben. Nachdem uns damals viel Unverständnis und Unwissen über Suizid und die Krankheit Depression begegnet ist, haben wir uns gedacht: Warum nicht selbst eine Plattform schaffen, auf der wir über Warnsignale, Vorurteile und Hilfsangebote informieren, um so zu entstigmatisieren und vor allem zu helfen. Als Kommunikations- und PR-Experten gehen wir seitdem zusammen mit unserem Kernteam der Aufgabe nach, Jugendliche und junge Erwachsene über die Themen Suizid, Depression und seelische Gesundheit aufzuklären.
In der Forschung wird häufig über den Werther-Effekt gesprochen. Im Gegensatz dazu gibt es den weniger bekannten Papageno-Effekt. Würden Sie diesen erklären?
Der sogenannte Papageno-Effekt ist nach der Figur Papageno aus Mozarts Zauberflöte benannt, der zum Ende der Oper durch die Hilfe von drei Freunden seine suizidale Krise überwindet. Demnach sinkt die allgemeine Suizidrate nachweislich, wenn in den Medien über Menschen berichtet wird, die eine Krisensituationen konstruktiv und ohne vollendeten Suizid bewältigen. Der Schwerpunkt effektiver Aufklärungsarbeit muss also darauf liegen, den Betroffenen Hoffnung zu machen und ihnen klar zu zeigen, dass Depressionen behandelbar sind und Suizidgedanken mit professioneller Hilfe überwunden werden können.
Sie haben ja in den letzten Jahren viel prominente Unterstützung bekommen: Klaas Heufer-Umlauf, Markus Kavka und Julia Engelmann, um nur einige zu nennen. Haben Sie mit so viel Zuspruch gerechnet?
Sich öffentlich zu psychischen Krisen zu bekennen, ist immer noch ein großes Tabu. Wir verfolgen seit 19 Jahren die Vision einer Gesellschaft, in der offen darüber gesprochen wird, Hilfsangebote sichtbar sind und ein Bewusstsein über gesundheitsfördernde Faktoren besteht. Um die Öffentlichkeit auf diese Themen aufmerksam zu machen, ist die Unterstützung unserer prominenten Freunde sehr hilfreich, aber auch harte Arbeit. Noch immer stehen seelische Gesundheit, Depression und Suizid nicht auf der gesundheitspolitischen Agenda. Das muss sich ändern!
Welche konkreten Projekte verfolgen Sie mit Freunde fürs Leben e.V. zur Zeit?
Bei den Freunden ist immer viel los. Ins neue Jahr starten wir mit neuen Folgen unseres Podcasts Kopfsalat – der Podcast über Depressionen, Gefühle und den ganzen anderen Salat im Kopf. Abonnieren lohnt sich, Freunde! Zudem bereiten wir derzeit einige Videoproduktionen für unseren YouTube-Kanal frnd.tv vor – wen wir einladen, wird aber noch nicht verraten. Außerdem arbeiten wir weiter an unserem Kunstprojekt Talk!. Seit 2017 entstehen in Zusammenarbeit mit dem Fotografen Tom Wagner und Künstlern beeindruckende Kunstwerke und ein offener Austausch über Suizid und Depression. Derzeit planen wir eine große Ausstellung mit 50 Kunstwerken.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen und Probleme im Rahmen der Suizidprävention jetzt und in den kommenden Jahren?
Unsere Herausforderung und Vision bleibt, dass die Themen seelische Gesundheit, Suizid und Depression in der Gesellschaft und der Politik mehr Aufmerksamkeit bekommen. Alle 53 Minuten nimmt sich ein Mensch in Deutschland das Leben, etwa jede fünfte Minute versucht es jemand. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stellt immer noch keine Informationsmaterialien zu den Themen Depression und Suizid bereit. Daher fordern wir weiterhin eine staatlich geförderte Informationskampagne zur Aufklärung über seelische Gesundheit. Die BZgA und das Bundesgesundheitsministerium müssen der Aufklärungsarbeit über Depression und Suizid höhere Priorität einräumen. Damit Depressionen schneller erkannt und Suizide verhindert werden!
Über Suizid und Depressionen Bescheid zu wissen, kann Leben retten.
Diana Doko ist eine Mitbegründerin der Initiative „Freunde fürs Leben”, die über Suizid (Selbstmord) und Depressionen informiert, um die Signale zu kennen und Hilferufe besser deuten zu können.