Ohne Frage, Zweifeln ist heute wichtiger denn je. In einer Welt, in der sich Fake News und Verschwörungstheorien in Windeseile verbreiten und von vielen unbenommen geglaubt werden, ist es dringend notwendig, innezuhalten und zu überprüfen, ob das alles überhaupt stimmen kann. Und in einer Zeit, in der alles machbar erscheint und Zweifler schnell als Nörgler, Miesepeter und Bremser verachtet werden, ist es durchaus angebracht, sich intensiver mit dem Zweifeln zu beschäftigen.
Doch ein ganzes Buch über Zweifel? Genau hier liegt das Problem. Das Buch des Informatikers und Beraters Emanuel Koch ist eine Tour d’Horizon durch die unterschiedlichsten Themen und Lebenslagen. Ob es um die Kindererziehung, den Untergang von Kodak durch die Digitalfotografie, das Beinahescheitern des Musicals Tabaluga, die Funktionsweise des Gehirns oder den religiösen Glauben geht, für den Autor spielt der Zweifel überall eine entscheidende Rolle. Das ist nicht unbedingt falsch, wirkt aber teils etwas weit hergeholt.
Auch seine Aussage, dass Zweifel immer in die Zukunft gerichtet sind und Nachdenken über die Vergangenheit daher nichts mit Zweifeln zu tun hat, sondern nur das Bedauern und Bereuen alter Entscheidungen ist, erscheint doch fraglich. Schließlich kann man auch im Nachhinein an seinen Entscheidungen zweifeln, ohne sie damit zwangsläufig bedauern zu müssen. Denn man weiß ja nicht, wie sich eine andere Entscheidung ausgewirkt hätte.
Diese Tendenz zur plakativen Vereinfachung und zu gewagten Thesen durchzieht das ganze Buch, wie etwa bei den folgenden Sätzen: „Wir schulden unseren Kindern die Lizenz zum Zweifeln.“ Oder: „Die Zweifler von heute sind diejenigen, die die Probleme der Welt morgen lösen werden.“
Emotional unsicher
Den vermutlich wichtigsten Grund für seine Missionierung in Sachen Zweifel erklärt der Autor selbst: Das Schreiben des Buches war eine Selbsttherapie für ihn. „Ich zweifle, also bin ich“, formuliert er.
Auch die Zweifel und die Unsicherheit beim Schreiben des Buches macht der Autor zum Thema. Allein schon das „sehr persönliche Kapitel“ über Selbstzweifel sei eine Achterbahn der emotionalen Unsicherheiten für ihn gewesen. Wie sehr er sich dabei als psychologischer Laie an die Psychologie herantastet, lässt sich vor allem in diesem Kapitel nachlesen. Selbstzweifel schützten vor Arroganz und Größenwahn, sie könnten aber auch ins Destruktive bis hin zur Depression kippen, schreibt er und bezeichnet Depression dabei als „mentale“ statt als „psychische“ Krankheit.
Mit seinem Plädoyer für die positive Kraft des Zweifelns hat der Autor ein wichtiges Thema aufgegriffen. Viele seiner Aussagen sind berechtigt und regen zum Nachdenken an. Störend sind jedoch die erhebliche Redundanz und die oftmals krampfhafte Reduzierung fast aller Probleme auf einen Mangel an Zweifeln.
Emanuel Koch: Die positive Kraft des Zweifelns. Unsicherheit als Erfolgsfaktor. Econ, Berlin 2019, 251 S., € 18,–